ID Neuwerk

Design Education Research

Texte zum Design



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Design Research Now
Essays and Selected Projects, 2007

 

Design entwickelt sich zu einer anerkannten wissenschaftlichen Disziplin und die Designforschung ist der treibende Bodensatz dieser Transformation. «Design Research Now» vermisst das Feld der Designforschung anhand grundlegender Essays und ausgewählter Forschungen und nimmt zu den wichtigsten Fragen der Designforschung Stellung.

There are many opinions concerning the beginning of design as a discipline, its main tasks, its possibilities and prospects. One of the key strengths of Design Research Now. Essays and Selected Projects, edited by Ralf Michel, is precisely that it provides the reader with several essays and project results whereby questions are seriously revised and a variety of views are presented, reconsidered and organized. More importantly, the book offers the current state of knowledge in the field of design research, as well as answers about design in general and about more specialized topics.

A close look at the index confirms the book’s wide scope: 13 texts, 254 carefully layouted pages, 14 renowned designers from 7 different countries. The book offers a highly intellectual treatment of design, scientific views on the discipline and an in-depth presentation of research methods and results. In the introduction, the editor Ralf Michel summarizes the need and importance of “design research” in the following way:

At the core of most, if not all, concepts of design research is the realisation that, in a age of increasingly complex conditions for practising and studying design, there are almost no systematic bases for the continued development of design as an academic discipline; systematic in the sense of scientific and thus independently arguable. Many people have come to realize that if design is to have a future as a socially, culturally or economically relevant discipline, it cannot dispense with the academic tools of the discipline’s cognitive force and agency. (Page 15)

Textauszüge:
design research now, 2007

 







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Positionen zur Designwissenschaft
Romero-Tejedor, Felicidad / Jonas, Wolfgang (Hrsg.), 2010

 

Inhalt: Designwissenschaft, Designtheorie, Designforschung – diese Begriffe werden immer noch recht bunt gemischt verwendet. Wir halten Designwissenschaft für das übergeordnete Konzept, das die Aktivitäten und die Ergebnisse der Wissensproduktion im Design bezeichnet. Designwissenschaft entwirft auch Theorien und forscht, um neues Wissen im Design zu schaffen.

Das Buch soll einige Aspekte des Für und Wider der Designwissenschaft erörtern. Es richtet sich an alle, die bezüglich der behandelten Themen nach Orientierung suchen. Das Buch wird auch signalisieren, in welch komplexe Kontexte Design eingebettet ist. Die vorliegende Sammlung bietet eine Momentaufnahme des Zustands der Designwissenschaft in Deutschland. Die Beiträge sind ernsthaft, engagiert, wenig ironisch und lassen Konvergenz in Richtung auf einen Konsens allenfalls erahnen. Es handelt sich, wie nicht anders zu erwarten, um eine erste Bestandsaufnahme, die, so hoffen wir, weitere Überlegungen, Diskussionen und Forschungen anregen wird.

Weiterlesen:
Positionen zur Designwissenschaft, 2010

 







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Design ist unsichtbar
Lucius Burkhardt, 1980

 

Natürlich kann man sie sehen, die Gegenstände des Design; es sind Gestaltungen und Geräte bis hinauf zum Gebäude und hinab zum Dosenöffner. Der Designer gestaltet sie in sich logisch und gebrauchsfertig, wo bei er gewisse äußere Randbedingungen annimmt: beim Dosenöffner die Beschaffenheit von Dosen. Der Designer von Dosen geht wiederum davon aus, wie die Dosenöffner beschaffen sind; dieses ist seine Randbedingung. 

So kann man die Welt als eine Welt von Gegenständen auffassen und sie einteilen in – zum Beispiel – Häuser, Straßen, Verkehrsampeln, Kioske; in Kaffeemaschinen, Spültröge, Geschirr, Tischwäsche. Diese Einteilung hat Konsequenzen: Sie führt eben zu der Auffassung von Design, welche ein bestimmtes Gerät ausgrenzt, seine Außenbedingungen anerkennt und sich das Ziel setzt, eine bessere Kaffeemaschine zu bauen oder eine schönere, also das zu tun, was in den fünfziger Jahren mit der Auszeichnung Die Gute Form bedacht worden ist.

Wir können uns aber die Welt auch anders einteilen – und wenn ich die Pattern Language recht verstanden habe, so hat das Christopher Alexander dort versucht. Sein Schnitt liegt nicht zwischen Haus, Straße und Kiosk, um bessere Häuser, Straßen und Kioske zu bauen, sondern er scheidet den integrierten Komplex Straßenecke gegen andere städtische Komplexe ab; denn der Kiosk lebt davon, daß mein Bus noch nicht kommt und ich eine Zeitung kaufe, und der Bus hält hier, weil mehrere Wege zusammenlaufen und die Umsteiger gleich Anschluß haben. Straßenecke ist nur die sichtbare Umschreibung des Phänomens, darüber hinaus enthält es Teile organisatorischer Systeme: Buslinien, Fahrpläne, Zeitschriftenverkauf, Ampelphasen usw.

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Lucius Burckhardt, Design ist unsichtbar

 







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Diener des Allgemeinwillens
Reyner Banham, ulm 6, 1959

 

Am 22. September 1965 hielt Reyner Banham (London) den Einführungsvortrag zur diesjährigen ICSID-Generalversammlung in Wien. Wir veröffentlichen eine unwesentlich gekürzte Fassung dieser Rede.

Für und mit der Gemeinschaft 

Es gibt keine Produktgestaltung, die nicht Gestaltung für die Gemeinschaft, Gestaltung mit der Gemeinschaft ist. Das Handwerk kann individuell bestimmt sein, aber die Industrie ist auf die Gemeinschaft ausgerichtet. Der Produktgestalter setzt die Existenz einer Fabrikgemeinschaft voraus, die seinen Entwurf produziert; weiterhin eine Käufergemeinschaft, die diesen Entwurf braucht; und eine Gemeinschaft von Kommunalbetrieben, welche die dazu notwendigen Energien liefert oder die Straße baut, auf der schließlich der Entwurf fahren soll. Der Produktgestalter greift auch in das Leben und die Arbeit anderer Gemeinschaften ein, die ihm nicht einmal bekannt sein müssen; der Entwurf eines neuen Stuhles kann der Anlaß dafür sein, daß ein bestimmter Hartholzwald in Afrika gefällt wird und daß der Energieverbrauch einer Schweißers in Zagreb oder Caracas zunimmt.

‚Gemeinschaft‘, sentimental und sachlich Es fällt mir zu, den Begriff ‘Gemeinschaft’ so allgemein zu fassen, daß er alle Nuancen sprachlicher und politischer Art umfaßt. Lassen Sie mich zunächst auf die emotive oder sentimentale Bedeutung dieses Wortes eingehen, die es zu einem nützlichen Namen für einen Kongreß und die aus ‚Gemeinschaft‘ ein Schlagwort oder einen Sammelruf für Widermeinende aus allen Teilen der Welt macht. Auf diese Bedeutung sprechen auch gern weise Männer mit abgeklärtem Gebaren an, ganz gleich, welcher politischen Meinung sie anhängen. Die besondere Stärke der emotivon Seite von ‚Gemeinschaft‘ liegt darin, daß es als Gegenstück zu ‚Entfremdung‘ verstanden wird; und Entfremdung gilt über das ganze politische Spektrum hin als ein übel Ding – sogar die USA, die offiziell den vereinzelten, unabhängigen demokratischen Wähler preisen, vergöttern ebenso die formalen und informalen Organe der Gemeinschaft sowie das verschwommene Gefühl der Nichtentfremdung, die unter dem Namen ‚Beisammensein‘ geht. Deshalb soll man sich diesem Wort mit Vorsicht nähern. Allein die Tatsache, daß es die Herzen erwärmt, kann bedeuten, daß es die Geister vernebelt. Wir könnten versucht sein, zu glauben, daß eine Gestaltung für die ‚Gemeinschaft‘ eben aus diesem Grunde wünschenswerter, verantwortlicher und sittlich unanfechtbarer Ist als eine Gestaltung für andere Auftraggeber. Ich meine, es Ist wirklich gut, in der Gemeinschaft in diesem Sinne zu gestalten. Ich fühle ebenfalls den warmen Schimmer sittlicher Selbstbestätigung – solange ich nicht daran denke, daß dieselbe Gemeinschaft auch den Bau von Gefängnissen, die Herstellung von Tränengasgranaten und Atombomben in Auftrag gibt.

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Diener des Allgemeinwillens, Banham, 1965 

aus: „Ulmer Texte“. Köln International School of Design.
Projekt unter der Leitung von Prof. Gui Bonsiepe.

 







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Produkte: ihre funktionelle und strukturelle Komplexität
Abraham A. Moles, ulm 6, 1959

 

Strukturelle Komplexität läßt sich mit der Frage „Aus was besteht ein Gegenstand?“ ergründen. Funktionelle Komplexität erfahren wir durch die Frage nach dem „Wozu dient ein Gegenstand“. Ojekte, die erforscht, verstanden, und sogar „gelesen“ werden wollen, kann man mit der Informationstheorie ergründen. Sich der Komplexität eines Gegenstandes bewußt sein und seine Strukturen zu erfahren bedeutet, ihn zu verstehen.

„Wer nur analysiert, verliert die Welt.“
Ernst Bloch

Um die Welt zu fassen, müssen wir sie erfassen. Um sie zu erfassen, müssen wir sie zunächst strukturieren. Es gibt indessen nicht Strukturen an sich, sondern nur wahrgenommene Strukturen. Die Wissenschaft als wesentliche Form des Weltverständnisses liefert uns zugleich Maße und Formen für diese Strukturierung.

Die Kybernetik stellt sich dar als eine allgemeine Wissenschaft von den Organismen, unabhängig von der Art der Organe, aus denen diese Organismen bestehen. Sie will die Eigenschaften feststellen, die sich aus der Verbindung der Organe ergeben, feststellen, inwiefern und in welchem Maße das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Diese Frage richtet sich auf zwei Aspekte: den qualitativen und den quantitativen. Der erste ist von Anfang an bearbeitet worden. Die Kybernetik entwickelte sich sehr schnell zu einem Herstellungssystem von Strukturen, zu einer theoretischen Wissenschaft, die über den physikalischen Inhalt der von ihr untersuchten Elemente hinausgreift. Ihre eigentliche Anstrengung soll sich jedoch nach einer theoretischen Phase, auf die Erforschung autonomer Dimensionen richten.

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Produkte – funktionelle und strukturelle Komplexität, Moles, 1961

aus: „Ulmer Texte“. Köln International School of Design.
Projekt unter der Leitung von Prof. Gui Bonsiepe.

 







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Design-Objekte und Kunst-Objekte
Tomás Maldonado, ulm 7, 1963

 

Man muß anerkennen, daß der Neo-Dadaismus, d. h. der ein wenig verwelkte und abgestumpfte Dadaismus unserer Tage, in beschränktem Maße (oder gar nicht) orthodox zum ursprünglichen Dadaismus steht. Sicher läßt sich argumentieren, daß der Dadaismus, wenn man ihn nicht seines Wesens berauben will, weiterhin notwendig ketzerisch zu allen Traditionen und auch (und warum nicht?) zu seiner eigenen Tradition sich verhalten muß. Der Neo-Dadaismus, um es im apodiktischen und prophetischen Stil der künstlerischen Manifeste zu formulieren, wird gegen den ursprünglichen Dadaismus sein, oder er wird kein Dadaismus mehr sein. Ohne Zweifel ein augenfälliges Paradox; denn gerade in diesem Punkt widerspricht der Neo-Dadaismus nicht seinem Vorläufer. War denn nicht die Auto-Heterodoxie eines der vielleicht markantesten und am stärksten einnehmenden Kennzeichen des authentischen Dadaismus?

„Die wirklichen Dadaisten,“ so heißt es im ‚Bulletin Dada‘, veröffentlicht in Paris im Februar 1920, „sind gegen Dada.“

Theoretisch ist es sicher möglich, besonders mit Hilfe der Wahrheitsmatrizen der mehrwertigen Logik, den Wahrheitsgehalt dieser neo-dadaistischen Negation der dadaistischen Negation zu ermitteln. Aber das führte zu weit. Für den Augenblick dürfte man sich zufriedengeben mit einer bescheideneren Feststellung: der Neo-Dadaismus ist ein befremdender Dadaismus, und zwar ein Dadaismus, der Realismus sein will. Und – was noch mehr erstaunt, weil er nämlich noch stärker sich von den Zielen des ursprünglichen Dadaismus absetzt – ein ‚künstlerischer‘ Realismus. Der antiprogrammatische Dadaismus der heroischen Tage des ‚Cabaret Voltaire‘ hat sich im Laufe der Jahre verwandelt in einen programmatischen Dadaismus. Die Kunst, so proklamieren die Neo-Dadaisten jetzt, muß zum Objekt zurückkehren. Oder genauer: zum Kunst-Objekt. Oder auch, wenn man es vorzieht, zur Objekt-Kunst.

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Design-Objekte und Kunst-Objekte, Maldonado, 1963

aus: „Ulmer Texte“. Köln International School of Design.
Projekt unter der Leitung von Prof. Gui Bonsiepe.

 







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Ist das Bauhaus aktuell?
Tomás Maldonado, ulm 8/9, 1963

 

Die Frage: „Ist das Bauhaus aktuell?“ haben wir in der Vergangenheit manchmal negativ, manchmal ausweichend beantwortet. Es war für uns selbstverständlich, dass Gestalten und Erziehen zum Gestalten heute nicht dasselbe sind und nicht dasselbe sein können wie in den 20er Jahren. Indessen wurde unsere negative bzw. ausweichende Antwort nicht allein durch diese heute noch gültige Überlegung bestimmt. Indem wir die Aktualität des Bauhauses bestritten oder in Zweifel stellten, glaubten wir, unsere eigene Aktualität, unsere eigene Originalität zu bestätigen. Wir anerkannten eine alte Prämisse der romantischen Geschichtsphilosophie: Sein heißt immer Im-Konflikt-Sein mit den Vorgängern. So glaubten wir, unsere Existenzberechtigung nachzuweisen. Die Tatsachen haben uns gezeigt, dass die Entwicklung der Ideen sich nicht in solche einfachen Schemata pressen lässt, auf keinen Fall in ein lineares und unumkehrbares Schema. Die Urteile über die Aktualität (oder Unaktualität) kultureller Erscheinungen sind nicht von Dauer und fruchtlos. Bekanntlich wird das, was wir heute als aktuell beurteilen, morgen unausbleiblich es nicht mehr sein; aber es kann auch das, was uns gestern unaktuell erschien, heute aus verschiedenen Gründen seine verlorene Aktualität wiedergewinnen.

Das ist letztlich dem Bauhaus widerfahren. Die Frage: „Ist das Bauhaus aktuell?“ bejahen wir heute, wenn auch mit einer Einschränkung. Unter Bauhaus verstehen wir hier nicht, was man gemeinhin mit diesem Namen verbindet: eine pädagogische Institution oder eine Kunst- oder Architekturbewegung der 20er Jahre. Wenn wir sagen, dass das Bauhaus heute erneut aktuell ist, denken wir an ein anderes Bauhaus. Und zwar an ein Bauhaus, das oftmals proklamiert, aber kaum realisiert wurde; das sich nicht entfalten konnte; das sich seinerzeit vorgenommen hatte, wenngleich ohne Erfolg, eine humanistische Sicht auf die technische Zivilisation freizulegen, d. h. die menschliche Umwelt als ein neues „konkretes Entwurfsfeld“ zu betrachten. An ein Bauhaus, das seinerzeit versuchte, wenngleich ebenso ohne Erfolg, Deutschland an einer offenen und nach vorn gerichteten Kultur zu orientieren.

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Ist das Bauhaus aktuell, Maldonado, 1963

aus: „Ulmer Texte“. Köln International School of Design.
Projekt unter der Leitung von Prof. Gui Bonsiepe.

 







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Wissenschaft und Gestaltung
Tomás Maldonado und Gui Bonsiepe, ulm 10/11, 1964

 

Die Akademie der Wissenschaft und der schönen Künste

Nicht alles, was man der HfG zuschreibt, geht zu Recht auf das Konto ihrer Leistungen und Sünden. Mythos und Wirklichkeit der HfG decken sich allerdings in einem Punkt: im Interesse nämlich an einer Methodologie der Gestaltung, im Interesse an der Beziehung zwischen Wissenschaft und Gestaltung.

Den Ruf, die Hochburg der Methodolatrie zu sein, hat die HfG wahrlich verdient. Ein wichtiges Merkmal ihres Programms äußert sich in dem Nachdruck, der auf die Verwertung wissenschaftlicher Kenntnisse und Verfahren bei der Entwurtsarbeit gelegt wird. Diese Strenge spiegelt sich wider auf verschiedene Weise in verschiedenen Meinungen über die HfG; sie hat sich damit Anhänger und Gegner gemacht. Die einen, denen die Wissenschaft und die wissenschaftliche Denkweise ohnehin nicht passen, sehen in der Ulmer Auffassung nur eine Variante des teutonischen Furors – kalt, penibel, humorlos, karg, starrgläubig.

Die anderen hingegen betrachten die HFG als ein mehr oder minder geglücktes Modell einer Synthese von Wissenschaft und Gestaltung. So hat auf der einen Seite die Ulmer Methodik – oder was man dafür hält – Widerstände mobilisiert, die eine romantische Einstellung gegenüber der Gestaltung noch verhärteten. Auf der anderen Seite hat sie durchweg eine undifferenzierte, oft zu leichtfertige Hoffnung in eine Gestaltung unter der Ägide der Wissenschaft animiert. Die nachfolgenden Notizen zielen auf die Klärung des im Titel angezeigten Komplexes. Es sind nicht mehr als Randbemerkungen kursorischen Charakters, die die Verfasser an Hand eigener Beobachtung, im Gespräch und aus der kritischen Assimilation von sachbezogenen Texten gewonnen haben. In diesem Aufsatz wurden Soziologie und Sozialpsychologie bewußt außer acht gelassen, die ebenfalls einen Einfluß auf die Methodologie der Gestaltung ausüben; und zwar deshalb, weil die Bedeutung dieser Disziplinen für den behandelten Bereich heute allgemein akzeptiert und unumstritten ist. Das gleiche gilt für jene Fachgebiete, die die Konstruktion und Fertigung der Produkte betreffen.

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Wissenschaft und Gestaltung, Maldonado, Bonsiepe, 1964

aus: „Ulmer Texte“. Köln International School of Design.
Projekt unter der Leitung von Prof. Gui Bonsiepe. 

 







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Anstöße gegen das Behagen in der Design Erziehung
Tomàs Maldonado, ulm 17/18, 1966

 

Dieser Vortrag wurde am 5. Januar 1966 in der School of Architecture an der Princeton University gehalten.

Solange das Design als eine Kunst zu Diensten der Industrie gefeiert wurde, als eine Tätigkeit, darauf gerichtet, Industrieprodukte zu verschönern, war die Designerziehung – wie es R. B. Haydon 1837 definierte – nicht mehr als eine Ausbildung für die “niedersten Bereiche der Kunst”. Diese typisch viktorianische Auffassung vom Design hat aus verschiedenen Gründen ihre Aktualität verloren. Es handelt sich aber dabei nicht nur um eine Auffassung, sondern auch – und in erster Linie – um ein pädagogisches System, um eine bestimmte akademische Struktur also, in der sich diese Auffassung ausprägte. Die gegenwärtige Krise in der Desinerziehung wird dadurch bedingt, daß das viktorianische pädagogische System die viktorianische Auffassung überlebt hat. Die Doktrin ist verloschen, nicht aber die Struktur. Bis heutzutage vermochte sie nichts zu erschüttern. Ihr Kern blieb bis heute unberührt.

Die beiden folgenreichen Experimente der zwanziger Jahre – das Bauhaus in Deutschland und das Wchutemas in Rußland – brachten es nicht fertig, sich von den institutionellen Überresten des 19. Jahrhunderts zu befreien. Der revolutionäre Beitrag des Bauhauses ist in der Designerziehung zu sehen – wie sie besonders von Gropius und Meyer formuliert wurde – und weiterhin der Didaktik des Grundkurses, besonders wie er von Albers und Moholy- Nagy entwickelt wurde. Man darf diesen Beitrag nicht in den akademischen Strukturen suchen. In dieser Hinsicht nämlich war das Bauhaus eine relativ konservative Schule; und das gleiche kann man von Wchutemas behaupten. Die ersten Mitglieder dieser Schule – Altman, Tatlin und Malewitsch – forderten eine radikale Änderung der vorhandenen akademischen Strukturen. Sie nannten das: “die Säuberung der Augiasställe”.

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Anstösse, Maldonado, 1966

aus: „Ulmer Texte“. Köln International School of Design.
Projekt unter der Leitung von Prof. Gui Bonsiepe. 

 







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Arabesken der Rationalität
Anmerkungen zur Methodologie des Design
Gui Bonsiepe, ulm 19/20, 1967

 

Die Positur der Designmethodologie

„Méthode. – Ne sert à rien“

Herzlich frivol kennzeichnete einst George Nelson das Industrial Design als einen Beruf, der zu einem Mythos geworden sei, bevor er eine Reife erlangt habe. Ähnlich verhält es sich mit der Designmethodologie, mit der Lehre von den Entwurfs- oder Gestaltungsverfahren. Dispute über Designmethoden mögen der Mehrzahl der Gestalter als eine der Praxis fernstehende Spielerei erscheinen, oder als ein ärgerlich stimmender Versuch zu einer Bevormundung von seiten der Designmethodologen, angesichts dessen es sich empfiehlt, schleunigst zur Tagesordnung überzugehen. Diese ist hart und voller Nöte. Wie sie zu beheben seien, darüber gibt die Methodologie keine Auskunft. Sie kann es auch nicht. Eher spricht sie von Designparametern, Variabeln, rationalen Entscheidungskriterien, Optimalisierung, systematischen Verfahren der Problemlösung, Selektion relevanter Daten, Konstriktionen – klirrende Worte also, gepanzert mit dem Harnisch einer Wissenschaftlichkeit.

Wer bislang gestaltet hat, ohne von diesen Dingen zu wissen und ohne ihnen eine weitereichende Bedeutung beizumessen, mag Vorbehalte gegen sie hegen, vielleicht sogar simple Schaumschlägerei darin vermuten. Er mag eine Analogie zur Sprache anführen. So wie man eine Sprache richtig spräche, ohne ihre Grammatik explizit zu formulieren, so könne man auch erfolgreich gestalten, ohne sich auf eine entsprechende Methodologie berufen zu müssen. Doch die Analogie trägt nicht weit. Der vorgrammatische Zustand lässt sich, seit nun einmal die Grammatik erarbeitet worden ist, nicht mehr zurückgewinnen. Er ist objektiv überholt genauso wie das Design, das sich von methodologischer Infektion frei dünkt.

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Design Methodologie, Bonsiepe, 1967

aus: „Ulmer Texte“. Köln International School of Design.
Projekt unter der Leitung von Prof. Gui Bonsiepe.