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Design Education Research

Exkursion und Start-Workshop


Exkursion nach Lyon
und ins Kloster La Tourette

 

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Von: englich <englich@burg-halle.de>
Betreff: 0,7 cbm essentials … info 02 / exkursion
Datum: 2. August 2012 16:11:32 MESZ

sehr geehrte teilnehmerinnen und teilnehmer
am projekt

zum auftakt möchten wir mit Ihnen 2 tage an einem aussergewöhnlichen und zu unserem projekt passenden ort verbringen: im kloster La Tourette in der nähe von lyon in frankreich.

La Tourette ist eines der späten bauwerke von Le Corbusier, errichtet 1956-60, und steht insbesondere für seine architektonischen „essentials”.

dort werden wir uns zwei tage und nächte aufhalten und einen workshop zum einstieg in die thematik des projekts veranstalten. jede/r von uns wird in dieser zeit eine der „zellen” bewohnen, die nach den modulormaßen von Le Corbusier gebaut sind und ausgesprochen minimalistisch anmuten.

ein kloster im allgemeinen bietet einen ausgezeichneten hintergrund für die reflektion des verhältnisses von privat und gemeinschaftlich … dieses kloster bietet darüber hinaus das erlebnis einer zeitgenössischen, modernen interpretation einer monastischen lebensform.

„Dieses Spätwerk Le Corbusiers ist geprägt durch die Vielfalt der Motive der Bewegung, eine reiche Bildsprache, sowie andererseits die Kargheit des Materials. Die Einsiedelei, der Drang alles auf das existentialistische Minimum zu reduzieren, vermittelt die Erfahrung des absolut Geistigen, der „fructus spiritualis“. Das Purismusdenken Corbusiers beinhaltet schon im Frühwerk eine asketische Haltung in allen Bauten. Die Unité d’habitation in Marseille stellt nach dem Muster der Kartause eine Kombination von Gemeinschaftseinrichtungen und privater Wohnung dar. Was sich in Marseille ankündigte, was er in seinem kleinen Atelier und Cabanon in Cap Martin selbst erlebte, erfüllt sich im Klosterbau von La Tourette. Hier gelingt es Corbusier meisterhaft, seine Wahlverwandtschaft mit dem monastischen Leben in Raumvisionen zu fassen.”

weitere informationen zum kloster:
wikipedia.org/wiki/Sainte-Marie de la Tourette

… und zu Lyon:

Stadtgeschichte Lyon
Seide, Schmankerl, Stiegenhäuser
Lyon: Hauptstadt der Gourmets
Architektur / Stadtplanung

Utopies Réalisées, a different view of 20th C. architecture

5 sites in the Lyon region
online-pinwand zu Utopies Réalisées

 






Start Workshop
im Kloster La Tourette

 

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katalysatoren für minimalistische lebensformen 

im workshop in La Tourette sollen bedingungen, chancen, entwicklungen, potentiale … für die konzeption/beschreibung von szenarien minimalistischer lebensformen ausgelotet, skizziert und/oder visualisiert werden.

zentraler einstieg ist die frage nach dem verhältnis von individuum/privatheit/eigentum zu gemeinschaft/kooperation/teilhabe/zugang in verschiedenen relevanten kontexten.

insbesondere soll die – im sinne des themas spekulierende, unterstellende oder schon zu beobachtende – verschiebung/neujustierung dieses verhältnisses als gestaltungsaufgabe begriffen und dargestellt werden in form von thesen und visualisierungen der möglichkeiten und wirkungen, handlungen und prozesse.

was wäre wenn …

zugang, nutzung und verfügbarkeit (von dingen, handlungen oder prozessen) sich anders … aber nicht weniger komfortabel (oder günstiger oder effektiver oder stressfreier …) organisieren lassen wie bislang über die verfügbarkeit durch besitz? wie müssten sich materielle, professionelle, soziale und weitere ressourcen neu verschalten … und welche können das sein?

beispiel: ich will das loch, aber nicht den bohrer!
(beispielsweise werden – statistisch gesehen – bohrmaschinen im haushalt über ihre gesamte lebensdauer genau 13 minuten genutzt, siehe Rachel Botsman, siehe weiter unten) …

das ziel ist eine bandbreite von visionen, bildern und vorstellungen zu anderen/neuen dienstleistungen/konsum- und besitzverhalten/wohn-, lebens-, arbeitsformen etc. – kurz zu verschiedenen kultivierungs-impulsen/katalysatoren und ausdrucksformen für minimalistische lebensweisen.

 

beobachtungfelder für die bearbeitung im workshop:

in den kontexten gesellschaft, psychologie, kultur
sind dies bespielsweise die folgenden teilaspekte:

privatheit – bedürfnisse, handlungen, besitz
gemeinschaft – anlässe, kooperation, dienstleistungen
essentials im dinghaften oder in seinszuständen?
komfort/lebensqualität als ausdruck/ergebnis der organisation der dinge und nicht der dinge selbst
und weitere …

 

in den kontexten ökonomie und ökologie:

neue (oder vitalisierte ur-alte?) ökonomien jenseits, diesseits oder abseits des besitzens
– als ökonomien/strategien des nutzens, des weitergebens, des tauschens, des teilens …
zugang statt besitz
oder teilhaben statt teile haben
und weitere …

 

in den kontexten arbeit, wissen, information, technologie:

biografien und identitäten
cyber natives und social networks
beschäftigung statt (lohn)arbeit
zeitbanken
beitragen statt davon tragen
beziehungen gestalten statt dinge (neue aufgaben für design/er/innen?)
und weitere …
die genannten kontexte sind in der realen wirkung miteinander vernetzt – bedingen, beschleunigen, begünstigen oder bremsen einander – zur bewältigung der komplexität sollen sie hier jedoch jeweils fokussiert und in jeweiligen subthemen behandelt werden. die arbeit im workshop wird entsprechend in gruppen und themenfelder unterteilt erfolgen. die zugehörigkeit wird zu beginn per los entschieden und im verlauf durchmischt.

 






Moritz Grund
Autor des Buches „Einhundert – Designer und die Dinge, ein Selbstversuch”

 

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Moritz Grund – Autor des Buches „Einhundert – Designer und die Dinge, ein Selbstversuch” – begleitete uns auf der Exkursion und bereicherte die Diskussionen mit seinen Erfahrungen, die er durch seinen Selbstversuch sammeln konnte. Hierbei versuchte er mit einem Minimum an Gegenständen zu leben. Seine Erlebnisse – in kurzen Notizen – sind in seinem Buch nachzulesen. Hierin reflektiert er seine kritische Herangehensweise, wobei er am Ende von seinem selbstgesteckten Ziel der 100 Dinge zugunsten eines vernunftorientierten Umgangs mit den Dingen abweicht. Seine Berichte regen uns dazu an, eigene Selbstversuche durchzuführen.

 






Strategie 1:
Produktionsstopp

 

Workshop La Tourette / Pressemitteilung

Wei Hsu, Hur Ji Hyun und Annabelle Klute 

Was wäre wenn …
die Produktion von (Konsum-)gütern eingestellt würde?

Diese Strategie sieht vor, die Produktion von (Konsum-) Gütern komplett einzustellen. Damit soll die Wertschätzung gegenüber den verbliebenen Gütern, durch Pflege und Reparatur, gesteigert und geplante Obsoleszenz umgekehrt werden.

Zudem werden kreative Lösungen verlangt, um mit den wenigen Ressourcen intelligenter umzugehen. Der Tauschhandel wird gestärkt und neue, soziale Beziehungen geknüpft.

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Strategie 2:
Pflichtversicherung für elektronische Geräte

 

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Workshop La Tourette / Pressemitteilung

Maria Bauhofer, Florian Cortes König, Florian Schregelmann

Pflichtversicherung für elektronische Geräte

Diese Strategie verfolgt die Idee, einen Bewusstseinswandel nicht über einen Produktionsstopp, sondern über eine Pflichtversicherung für elektronische Geräte herbeizuführen.

Man würde weiterhin Geräte kaufen können, müsste aber zusätzlich eine Garantiegebühr bezahlen. Diese würde sich an der Qualität des jeweiligen Gerätes orientieren und an dessen Nutzungsdauer. Je länger ein Gerät genutzt wird und je schlechter der Gesamtzustand, desto höher die Gebühr. Der Besitzer hätte somit ein Interesse daran, sein Gerät mit anderen zu teilen, es zu verleihen und durch gelegentliche Reparaturen in gutem Zustand zu halten.

 






Strategie 3:
Utopie des eingeschränkten Privateigentums

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Was wäre wenn … es nur noch eingeschränktes Privateigentum gäbe?

 

Workshop La Tourette / Pressemitteilung

Marlene Swiecznik, Benny Adler und Maximilian Bastian

Utopie des eingeschränkten Privateigentums

Eine Kombination aus Besitzen und Leihen: Produkte, die seltener gebraucht werden, sollten an speziell eingerichteten Stationen in der Stadt gegen eine Gebühr geliehen werden können. Konsumgüter, die dauerhaft im eigenen Besitz bleiben müssen, wie Möbel, sollten allerdings weiterhin käuflich sein.

 






Strategie 4:
Leihen statt besitzen

 

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Ist-Zustand: Kaufen und Lagern

 

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Soll-Zustand: Leihen statt Besitzen

 

 

Workshop La Tourette / Pressemitteilung

Maika Butter, Leon Kucharski und Florian Lohse

Pressemitteilung der „Globalen Konsumproduzenten”
zur Umstrukturierung der Warenverteilung

Wir die GKP haben festgestellt, dass die Mehrzahl unserer Produkte selten genutzt werden.

Wir die GKP werden ab sofort Verantwortung für unsere Gesellschaft und Umwelt übernehmen.

Dazu stellen wir folgendes Konzept vor:
dieses sieht vor unsere Produkte nicht mehr zu verkaufen sondern zu verleihen.

Unsere Warenhäuser fungieren somit ab sofort als Leihhäuser.

Wir wollen unseren Kunden eine reflektierten ihren sich verändernden Umständen angepassten Umgang mit unseren Produkten bieten.

Durch die Bereitstellung einer neuen gemeinsam organisierten Infrastruktur, die einen fairen Wettbewerb ermöglicht ist das Leihen praktisch und unaufwendig.

Wir müssen eine höhere Qualität und Langlebigkeit unserer Produkte gewährleisten.

Durch eine geringe Produktionsmenge recyclebarer Produkte werden wir den ökologischen Anforderungen unserer Zeit gerecht.

Das Beste was wir können, für Alle dann wenn sie es brauchen! 

 






Strategie 5:
Vom Stadthotel zum WohTel

 

 

 

Workshop La Tourette / Pressemitteilung

Laura Christopheri, Franziska Porsch und Senhui Qiu

Vom Stadthotel zum WohTel

Wie sich nicht nur Konsumgüter, sondern auch Wohnräume teilen ließen, zeigte ein weiteres Szenario – „Wohtel“. Ausgehend von der These, dass Besitz nicht nur die Umwelt, sondern vor allem den Besitzer belastet, sollten Wohnungen und deren Infrastruktur gemeinschaftlich genutzt werden.

Über eine Zentrale wird Wohnraum nach der Anzahl der Bewohner, der Nutzungsdauer und Budget vermittelt. Der persönliche Besitz sollte damit verringert, und die Lebensqualität gesteigert werden. Die Bewohner der „Wohtels“ wären flexibler, da sie den Wohnraum nur noch temporär nutzen könnten und würden zudem Zeit und Geld für Umzüge sparen. Das Szenario nimmt damit direkten Bezug auf die Globalisierung und die wachsende Mobilität in unserer heutigen Gesellschaft. 

 







modulor


Le Corbusier
Modulor
Unité d’habitation in Marseille

Lektüre zur Exkursion

Le Corbusier

In den 1950er und 1960er Jahren war Le Corbusier der international renommierteste Architekt. Er plante Gebäude und ganze Städte, … und befasste sich mit den damals drängendsten Problemen der zeitgenössischen Architektur. Er proklamierte Slogans und erfand neue Termini, er entwickelte das Proportionssystem „Modulor“ und wandte es auf Gegenstände des täglichen Lebens ebenso an wie auf Gebäude. So ist es kaum verwunderlich, dass er jedes Werk geradezu als Manifest verstanden wissen wollte, als Gebäude, die aufgrund der Typologie ihrer Aufteilung, ihrer Gestaltung und Erscheinung beispielhaft waren. So entwirft er nach Ronchamp – das allein schon einen Architekten unsterblich machen könnte – die fünf Unités d‘ Habitation (ab 1952), das Kloster La Tourette in Eveux (1960), das Kulturhaus in Firminy (1965), die Maisons Jaoul in Paris (1955), das Verwaltungszentrum von Chandigarh (1955) und das Carpenter Center for the Visual Arts in Cambridge, Massachusetts (1963).

aus: Paolo Favole »Geschichte der Architektur: 20./21. Jahrhundert«
wikipedia.org/wiki/Le_Corbusier

 

Modulor

Le Corbusier entwickelte zwischen 1942 und 1955 ein universelles Masssystem, den sogenannten Modulor. Der Modulor stellt den bedeutendsten modernen Versuch dar, der Architektur eine am Maß des Menschen orientierte mathematische Ordnung zu geben. Er steht damit in der Tradition von Vitruv. Ausgehend vom Goldenen Schnitt und von den Proportionen des menschlichen Körpers entwickelte Le Corbusier seine Proportionslehre des Bauens. Er ging von einer angenommenen Standardgrösse des menschlichen Körpers aus und markierte drei Intervalle, die zueinander in der Proportion des Goldenen Schnitts stehen. Es gelang Le Corbusier, das angelsächsische, auf dem Fuss basierende Masssystem mit dem metrischen Dezimalsystem zu verbinden und gleichzeitig auf die menschlichen Körpermasse zu beziehen. Damit gewann er eine systematische Planungsgrundlage für Architektur und Industrieprodukte, die in der ganzen Welt Verbreitung fand und von zahlreichen Praktikern angewandt wurde.

wikipedia.org/wiki/Modulor

 

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Unité d’habitation in Marseille

Die Unité von Marseille war die erste von insgesamt fünf Wohneinheiten und wurde 1952 fertiggestellt. Das Konzept der zur Wohnmaschine gestapelten Maisonette-Wohnungen geht auf Le Corbusiers „Pavillon de l’Esprit Nouveau“ von 1925 sowie das System „Dom-ino“ von 1914 zurück. Neben den Wohnungen sind hier weitere Funktionen wie Geschäfte, ein kleines Hotel und eine Wäscherei zu einer vertikalen Stadt integriert, auf dem Dach gibt es einen Kindergarten, ein Freilufttheater und eine Sporthalle.

Der Mensch steht nicht nur funktional im Mittelpunkt, er wird auch zum Maßstab bis ins Detail: Le Corbusier wendete hier zum ersten Mal sein kurz zuvor entwickeltes Maßsystem „Modulor“ konsequent in der Praxis an. Die Unité ist ein typisches Beispiel für Le Corbusiers Streben nach einer radikalen Änderung der Architektur, die unter Verwendung technischen Möglichkeiten bessere Lebensbedingungen schaffen sollte.

baugeschichte tu-berlin/Marseille Unite d’habitation

 







La_Tourette


Le Corbusier
Synthese DES Arts:
Aspekte des Spätwerks 1945–1965

Lektüre zur Exkursion

Einige Bemerkungen zu Phänomenen des Raumes
im Kloster Ste. Marie de la Tourette in Eveux
aus: Le Corbusier – Synthese DES Arts: Aspekte DES Spaetwerks 1945-1965

Textauszüge:
Phänomen des Raumes La Tourette.pdf

 

La Couvent de la Tourette

Dieses Spätwerk Le Corbusiers ist geprägt durch die Vielfalt der Motive der Bewegung, eine reiche Bildsprache, sowie andererseits die Kargheit des Materials. Die Einsiedelei, der Drang alles auf das existentialistische Minimum zu reduzieren, vermittelt die Erfahrung des absolut Geistigen, der „fructus spiritualis“. Das Purismusdenken Corbusiers beinhaltet schon im Frühwerk eine asketische Haltung in allen Bauten. Die Unité d’habitation in Marseille stellt nach dem Muster der Kartause eine Kombination von Gemeinschaftseinrichtungen und privater Wohnung dar. Was sich in Marseille ankündigte, was er in seinem kleinen Atelier und Cabanon in Cap Martin selbst erlebte, erfüllt sich im Klosterbau von La Tourette. Hier gelingt es Corbusier meisterhaft, seine Wahlverwandtschaft mit dem monastischen Leben in Raumvisionen zu fassen.

weiterlesen …
wikipedia.org/ Sainte-Marie de la Tourette

 





Geschützt:
Zwei Filme
zu Le Corbusier

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