ID Neuwerk

Design Education Research

Literatur


Sparta/Sybaris.
Keine neue Bauweise, eine neue Lebensweise tut not (1987)
Bernard Rudofsky

spart

 

„Gegenüber den modernen Gewohnheiten will Rudofsky all das Versäumte, Vergessene und Verkannte aus alten und fremden Kulturen als Quellen von Lebenskunst aufdecken“. Damit beschäftigt sich der 1935 nach New York emigrierte Österreicher, der als Professor an der Yale-Universität und in Tokio wirkte, seit seiner ersten Ausstellung im Museum of Modern Art im Jahre 1944. Sein Fazit nun: „Keine neue Bauweise, eine neue Lebensweise tut not.“ 

„Sparta/Sybaris“, der Haupttitel der Ausstellung, zusammengesetzt aus zwei antiken Städten mit gegensätzlichem Lebensgefühl, steht für die Spannung zwischen spartanischer Einfachheit und sybaritischem Luxus, in der sich Rudofskys Kritik bewegt. Beide Eigenschaften findet Rudofsky besonders vernünftig im japanischen Wohnhaus verbunden.”

aus:
www.spiegel.de

 

Schon der Titel machte mich damals – 1988 – als ich selbst noch Design studierte, neugierig … und der Inhalt enttäuschte nicht. Erfrischend wie Rudofsky jenseits der rationalitätsorientierten Dogmen der Moderne einen respektlos-unverkrampften Blick auf Lebensweisen wirft, Gewohnheiten in Frage stellt und alltägliche Handlungen über Kulturgrenzen hinweg vergleicht. Dabei zu Schlussfolgerungen kommt, die zeigen, dass vieles auch ganz anders sein könnte, wenn übliche Handlungs- und Verhaltensmuster jenseits von Moden und Zeitgeist auf Sinnfälligkeit überprüft und unkritisch übernommene Traditionen hinterfragt werden.

Eine Anregung zum unkonventionellen Denken und klugem Beobachten … 

 






Lessons from Bernard Rudofsky:
Das Leben eine Reise (2007)

lesson

 

Herausg. Architekturzentrum  Wien

 

Bernard Rudofsky, ein unkonventioneller Kosmopolit und Reisender, liebte es mit Freude gegen den Strom zu schwimmen. In seinem überzeugenden und gewinnenden Stil suchte er Gewohnheiten und Habitus zu erforschen, um übersehene Dinge ans Tageslicht zu bringen. Rudofsky war überzeugt, daß für Designer das Studium extremer, selbst pathologischer Formen lehrreich sei. Er verfolgte dieses Ziel mit kultureller Arroganz und mit Büchern, Artikeln, Vorlesungen, Ausstellungen und Bauten.

Sein bekanntestes Projekt waren die Ausstellung: Architecture without Architects und das Buch, das auf ihr basierte (1964). Die Ausstellung wurde Ende der 50er Jahre geplant, gerade als die Architektur blind dem Fortschritt und den Dogmen der Moderne vertraute, war ein Schlag ins Gesicht des Internationalen Stils. Rudofsky brachte Beispiele vernakulärer Architektur, Konstruktionen ohne statischen Nachweis, die er gesammelt hatte, zusammen: Höhlen, Dolmen, Termitennester u.a.. Ihr einziges Dogma war ein commonsense-Verständnis von Architektur, das die Beziehung zwischen Zweck (Schutz, Verteidigung, religiöse oder politische Feste) und verwandten Mitteln zu optimieren suchte. Er favorisierte Archetypen, materielle Kulturen und Orte, die die Anwendung universeller Regeln von vornherein ausschlössen. Die Ausstellung gab Rudofsky die Chance, die Idee, die zum Motto seines Lebens werden sollte, weltweit bekannt zu machen: keine neue Bauweise, eine neue Lebensweise tut not.

Rudofskys zahllose Schriften enthalten Bemerkungen zu jedem Aspekt des Lebens: Architektur; Haus; Distanzverhalten, Habitus und der Ferne Osten; Kleidung. Die Suche nach einem neuen Lebensstil führten ihn auch nach Japan; er beschrieb dieses Land in einer Serie von Beiträgen für domus. Rudofsky suchte in orientalischer Einfachheit die Basiselemente seiner ethischen Revolution. Die interdisziplinären Forschungen dieses kosmopolitischen Mitteleuropäers, Ingenieurs und Malers sind heute noch aktuell, mehr noch, sie haben einen überraschenden und erfrischenden polemischen Ton behalten. Bernard Rudofsky starb 1988 im Alter von 83 Jahren.

(Auszug aus domus, Paola Antonelli)

 







100dinge


EINHUNDERT.
Der Designer und die Dinge – Ein Selbstversuch
Moritz Grund (2012)

Notizen, Geschichten und Betrachtungen zu Besitz und Eigentum, zu Dingen und Design.

Das Buch „EINHUNDERT“ ist eine Sammlung kurzer Texte entlang eines siebenjaehrigen Experimentes zur Reduktion persoenlichen Eigentums.
In einer Collage aus Notizen, Beobachtungen, Geschichten und Gedanken, Aussagen und Forderungen betrachtet der Autor Moritz Grund unsere Beziehung zu Dingen des Alltags und skizziert dabei einen persoenlichen Designbegriff.
Ein in einfacher Sprache, ohne Fremdwoerter, Anglizismen und unscharfe Begriffe, wie etwa „Kunst“, „Schoenheit“ oder „Wohlstand“, verfasstes, leicht zu lesendes Stueck autobiografischer Designkritik.

siehe auch:
Exkursion
Personen

 






Nutzen statt besitzen (1995)
Essay von Michael Erlhoff

nutzen

 

In der grundsätzlichen Betrachtung des Verhältnisses von Nutzern zu Gegenständen insbesondere unter dem Blickwinkel des Benutzens und weniger des Besitzens … insbesondere auch mit der daraus folgenden Veränderung der Wahrnehmung von Artefakt und Prozess und den Schlussfolgerungen zu möglichen Dienstleistungen, Services, anderen Verteilungstrukturen etc. … auch nach 20 Jahren noch lesenswert und für das gegenwärtige Projekt von grundlegendem Interesse. 

 

Textauszüge:
Erlhoff Nutzen statt besitzen 1995.pdf

 

 






Taku – Eine mobile Reisestation

Taku

 

TAKU
Mobile Reise- und Forschungsstation

Diplom-Arbeit von Sebastian Müllauer (Teil 3)

 

aus dem gutachten zur diplomarbeit:

„müllauer hat gemacht, was in früheren zeiten in handwerklichen – und also auch gestalterische techniken praktizierenden berufen – vielfach üblich war, nämlich nach den lehrjahren auf wanderschaft zu gehen, das erfahrene in realen und häufig ungewohnten umgebungen zu erproben, die eigenen kenntnisse zu vertiefen, durch andere kulturelle einflüsse zu erweitern … und so zu einem umfassenderen verständnis des eigenen tuns, und letztlich zur meisterschaft zu gelangen. allein schon aus diesem grunde, nämlich dieses wagnis und alle unwägbarkeiten einzugehen, ist dieses diplom schon ein ganz besonderes. …

der dritte band von müllauers diplomarbeit behandelt seine mobile reise- und forschungsstation, die er taku nennt. für alle, die empfänglich sind für raffinierte technische tüfteleien und daniel-düsentriebschen erfindungsreichtum, ist die lektüre dieses berichts ein konstruktiv-intellektuelles wellnessbad sondergleichen …

die beschäftigung mit „design” bietet das besondere chancengemisch, protagonisten hervorzubringen, die mit ihrer spezifischen sicht-, denk- und handlungsweise hervorragend geeignet sein können, den allerorts nötigen wandel unserer lebensformen gestaltend zu begleiten und voranzubringen. hier leuchten sie für mich auf … diese chancen – und hier hat jemand beherzt zugegriffen.”

Textauszüge:
Sebastian Muellauer Taku.pdf

 






Hab, aber Gut?
Henrike Gänss

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Hab, aber Gut?
brand eins 03/2012 – SCHWERPUNKT: Relevanz

Die Architektin und Designerin Henrike Gänss* machte bei sich selbst Inventur und fotografierte ihren gesamten Besitz (erste Galerie).
Dann sortierte sie alles Unwichtige heraus (zweite Galerie).
Und erschrak.

* Henrike Gänss ist Absolventin unserer Hochschule im Studiengang Innenarchitektur.

zum weiterlesen:
Henrike Gaenss Welt der Dinge.pdf

 







cong


Der Neue Tante-Emma-Laden
Konzept von Yi-Cong Lu (2005)

Eine für mich auch nach Jahren noch immer sehr spannende konzeptionelle Designarbeit. Nicht nur der konzeptionelle Ansatz ist überzeugend, sondern auch die Art der Darstellung und Visualisierung. Ausgehend von Fragen nach anderen Verpackungen, geht diese Arbeit nicht auf „das Ende” ein, nämlich darauf wie Verpackungen im Detail zu verbessern wären, sondern setzt mit ihren Überlegungen weit vorher an, nämlich an Organisationsformen und neuen Verteilungskonzepten mit einem Vorschlag zur Wiederbelebung der städtischen Einkaufsstruktur. Der Neue Tante-Emma-Laden vermittelt nicht einer allgemeinen Zielgruppe, sondern dem einzelnen Kunden das passende Produkt. Die nötige Übercodierung des ganzen Verpackungs-Design-Wahnsinns wird damit obsolet! Im Vordergrund steht der Dialog zwischen Kunde und Verkäufer.

(Anlässlich des Wettbewerbs „pack aus, pack ein, pack zu”, hat diese Arbeit einen Sonderpreis bekommen, da hier über das Thema hinaus ein umfassendes Konzept entwickelt wurde, wie Einkaufen in Zukunft aussehen könnte.)

download
Cong Plakate.pdf

 






bolo’bolo
P.M. (Erstausgabe 1983)

bolo

 

nach meinem kenntnisstand der letzte grosse versuch im 20. jahrhundert, eine radikale sozialutopie zu beschreiben … neben der anschaulich szenarischen methode auch und besonders raffiniert der kunstgriff, neue begrifflichkeiten / idiome zur beschreibung von utopien zu erfinden, um der abnutzung der sprache zu entwischen …

hier finden Sie den gesamten text …
bolobolo.pdf

 

eine nachbetrachtung zu bolo’bolo von P.M. von 2004

… Ich habe eine Wunschliste aufgestellt, wie zu Weihnachten, eine lange Liste von Sachen, zu denen wir sagen, das finden wir gut – eine Bestandsliste. Und dann habe ich mir die Liste angeschaut und gesehen, die tönt jetzt ziemlich langweilig. Also z. B. so Sachen wie, „wir wollen solidarisch miteinander zusammenleben“, „wir wollen kein Wirtschaftswachstum“, „wir wollen die Umwelt respektieren“. Also diese langweiligen sozialökologischen Gemeinplätze, die man in den Parteiprogrammen findet. Das wollte ich ein bisschen von diesem Staub befreien, und da habe ich gesagt, ich erfinde jetzt mal eine Utopie. Aber es ist ja gar keine Utopie. Ich kenne ja all diese Utopien. Von der Art, wie die geschrieben sind, haben die eine gewisse Attraktivität. Diese Vollständigkeit, das Eintauchen in andere Welten mit eigener Terminologie, das hat mich auch sehr fasziniert. Ich dachte, ich kann diese Sachen, also diese Wunschvorstellungen viel besser unter die Leute bringen, wenn ich sie als Utopie verkleide.

weiterlesen …
republicart.net/disc/aeas/pm01 de.pdf

 

artikel von MARTIN D’IDLER
»bolo’bolo« (1983) von P. M.
Der Entwurf eines globalen Anarchismus als neuer Klassiker der politischen Utopie

»bolo’bolo« fällt zunächst durch seine fremdartige Begrifflichkeit auf: polynesisch klingende Neologismen, illustriert durch chinesisch anmutende kalligraphische Zeichen. Dahinter verbirgt sich nicht mehr und nicht weniger als das Konzept einer anarchistischen Gesellschaft. Alter Wein in neuen Schläuchen, könnte man meinen, doch ein zentraler Aspekt dieser Utopie ist für den utopischen Diskurs innovativ: die Globalität des Entwurfs. In dieser Zukunftsutopie haben sich weltweit alle staatlichen Strukturen aufgelöst und sind ersetzt worden durch ein extrem pluralistisches Netzwerk von unzähligen autonomen Großkommunen mit jeweils etwa 500 Einwohnern, sogenannten »bolos«. Und damit ist auch der Titel erklärt: bolo’bolo meint die Gesamtheit der bolos und damit das politische System der zukünftigen Weltgesellschaft. In Form einer theoretischen Abhandlung wird – ohne Figuren oder romanhafte Handlung – ein fiktives Szenario konstruiert, wobei alle wesentlichen Aspekte, die zu einer klassischen Utopie dazugehören, berücksichtigt werden, von einer Kritik an der Realgesellschaft über ein gegenübergestelltes Ideal mit einem entsprechenden politischen und wirtschaftlichen System bis hin zu einem bestimmten Geltungsanspruch.

weiterlesen …
Utopie kreativ/205/205DIdler.pdf

 







modulor


Le Corbusier
Modulor
Unité d’habitation in Marseille

Lektüre zur Exkursion

Le Corbusier

In den 1950er und 1960er Jahren war Le Corbusier der international renommierteste Architekt. Er plante Gebäude und ganze Städte, … und befasste sich mit den damals drängendsten Problemen der zeitgenössischen Architektur. Er proklamierte Slogans und erfand neue Termini, er entwickelte das Proportionssystem „Modulor“ und wandte es auf Gegenstände des täglichen Lebens ebenso an wie auf Gebäude. So ist es kaum verwunderlich, dass er jedes Werk geradezu als Manifest verstanden wissen wollte, als Gebäude, die aufgrund der Typologie ihrer Aufteilung, ihrer Gestaltung und Erscheinung beispielhaft waren. So entwirft er nach Ronchamp – das allein schon einen Architekten unsterblich machen könnte – die fünf Unités d‘ Habitation (ab 1952), das Kloster La Tourette in Eveux (1960), das Kulturhaus in Firminy (1965), die Maisons Jaoul in Paris (1955), das Verwaltungszentrum von Chandigarh (1955) und das Carpenter Center for the Visual Arts in Cambridge, Massachusetts (1963).

aus: Paolo Favole »Geschichte der Architektur: 20./21. Jahrhundert«
wikipedia.org/wiki/Le_Corbusier

 

Modulor

Le Corbusier entwickelte zwischen 1942 und 1955 ein universelles Masssystem, den sogenannten Modulor. Der Modulor stellt den bedeutendsten modernen Versuch dar, der Architektur eine am Maß des Menschen orientierte mathematische Ordnung zu geben. Er steht damit in der Tradition von Vitruv. Ausgehend vom Goldenen Schnitt und von den Proportionen des menschlichen Körpers entwickelte Le Corbusier seine Proportionslehre des Bauens. Er ging von einer angenommenen Standardgrösse des menschlichen Körpers aus und markierte drei Intervalle, die zueinander in der Proportion des Goldenen Schnitts stehen. Es gelang Le Corbusier, das angelsächsische, auf dem Fuss basierende Masssystem mit dem metrischen Dezimalsystem zu verbinden und gleichzeitig auf die menschlichen Körpermasse zu beziehen. Damit gewann er eine systematische Planungsgrundlage für Architektur und Industrieprodukte, die in der ganzen Welt Verbreitung fand und von zahlreichen Praktikern angewandt wurde.

wikipedia.org/wiki/Modulor

 

b-modulor

 

 

Unité d’habitation in Marseille

Die Unité von Marseille war die erste von insgesamt fünf Wohneinheiten und wurde 1952 fertiggestellt. Das Konzept der zur Wohnmaschine gestapelten Maisonette-Wohnungen geht auf Le Corbusiers „Pavillon de l’Esprit Nouveau“ von 1925 sowie das System „Dom-ino“ von 1914 zurück. Neben den Wohnungen sind hier weitere Funktionen wie Geschäfte, ein kleines Hotel und eine Wäscherei zu einer vertikalen Stadt integriert, auf dem Dach gibt es einen Kindergarten, ein Freilufttheater und eine Sporthalle.

Der Mensch steht nicht nur funktional im Mittelpunkt, er wird auch zum Maßstab bis ins Detail: Le Corbusier wendete hier zum ersten Mal sein kurz zuvor entwickeltes Maßsystem „Modulor“ konsequent in der Praxis an. Die Unité ist ein typisches Beispiel für Le Corbusiers Streben nach einer radikalen Änderung der Architektur, die unter Verwendung technischen Möglichkeiten bessere Lebensbedingungen schaffen sollte.

baugeschichte tu-berlin/Marseille Unite d’habitation

 







La_Tourette


Le Corbusier
Synthese DES Arts:
Aspekte des Spätwerks 1945–1965

Lektüre zur Exkursion

Einige Bemerkungen zu Phänomenen des Raumes
im Kloster Ste. Marie de la Tourette in Eveux
aus: Le Corbusier – Synthese DES Arts: Aspekte DES Spaetwerks 1945-1965

Textauszüge:
Phänomen des Raumes La Tourette.pdf

 

La Couvent de la Tourette

Dieses Spätwerk Le Corbusiers ist geprägt durch die Vielfalt der Motive der Bewegung, eine reiche Bildsprache, sowie andererseits die Kargheit des Materials. Die Einsiedelei, der Drang alles auf das existentialistische Minimum zu reduzieren, vermittelt die Erfahrung des absolut Geistigen, der „fructus spiritualis“. Das Purismusdenken Corbusiers beinhaltet schon im Frühwerk eine asketische Haltung in allen Bauten. Die Unité d’habitation in Marseille stellt nach dem Muster der Kartause eine Kombination von Gemeinschaftseinrichtungen und privater Wohnung dar. Was sich in Marseille ankündigte, was er in seinem kleinen Atelier und Cabanon in Cap Martin selbst erlebte, erfüllt sich im Klosterbau von La Tourette. Hier gelingt es Corbusier meisterhaft, seine Wahlverwandtschaft mit dem monastischen Leben in Raumvisionen zu fassen.

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wikipedia.org/ Sainte-Marie de la Tourette