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Recherchen / Neue Musik / Neue Töne


Spaziergang durch 100 Jahre Geschichte der Töne und Klänge

 

A History of Sound Art
Arranged and composed by Milo Taylor
Mixed by Joel Cahen

Eine Ton-Collage als Dokumentation der Klangkunst vom frühen 20. Jahrhundert bis heute. Die Collage durchstreift verschiedene Klangereignisse im Laufe des Jahrhunderts  und verbindet sie mit Erzählungen zu einigen der bekanntesten Künstler dieses Bereiches. In einer Retrospektive zum Handwerk der Klangerzeugung und seine Entwicklung als künstlerische Praxis – vom ersten Tonfilm Edisons von 1895 bis heute – hören wir die Ideen und Konzepte zur Entstehung dieser Werke, von den Künstlern selbst gesprochen.

 

history sound art

 

A History of Sound Art – zum Blättern

 





Experiments in Sound and Electronic Music
in Early 20th Century Russia

Sound in Z

 

Zum Blättern: Sound in Z – Experiments in Sound and Electronic Music
in Early 20th Century Russia
 von Andrey Smirnov

 

 

Interview mit Andrey Smirnov,
Interview und Video von Nathan Budzinski, 2013

 

„Leon Theremin gab die Technologie. Die Technologie war so fortschrittlich und brachte eine so klare Darstellung zukünftiger Methoden der Klangkunst hervor, dass er kein Künstler, Philosoph oder Komponist sein musste, aber er hat sie hervorgerufen.“

Andrey Smirnov spricht über russische Avantgarde-Experimente zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der elektronischen Musik und der Klangwelt und wie er zu einem riesigen und bisher weitgehend unerforschten Archiv von Werken von Erfindern und Künstlern kam, deren Werk durch das totalitäre Regime Stalins zunichte gemacht und fast vergessen wurde.

Smirnows Buch „Sound In Z: Experiments In Sound And Electronic Music In Early 20th Century Russia” wurde von Koenig Books und Sound & Music herausgegeben und ist heute vergriffen. Die erste Präsentation von Sound In Z fand 2008 im Pariser Palais de Tokyo statt (in Zusammenarbeit mit Matt Price, der auch das Buch herausgab). Es war Teil einer größeren Show namens From One Revolution To Another des Künstlers Jeremy Deller.

 





John Cage
Alles ist Musik

Der Pianist John Snijders präpariert ein Klavier 
für die Aufführung von John Cages Sonatas and Interludes

 

John Cage
(* 5. September 1912 in Los Angeles; † 12. August 1992 in New York City)

war ein US-amerikanischer Komponist und Künstler. Mit seinen mehr als 250 Kompositionen, die häufig als Schlüsselwerke der Neuen Musik angesehen werden, gilt er als einer der weltweit einflussreichsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Hinzu kommen musik- und kompositionstheoretische Arbeiten von grundsätzlicher Bedeutung. Außerdem gilt Cage als Schlüsselfigur für die Ende der 1950er Jahre entstehende Happeningbewegung und als wichtiger Anreger für die Fluxusbewegung und die Neue Improvisationsmusik.

 

Das Präparierte Klavier ist eine von John Cage um 1940 eingeführte Technik, an bestimmten Stellen der Saitenchöre eines Klaviers Gegenstände wie Radiergummis, Nägel, Papier usw. einzusetzen, die entweder Mehrklänge, Flageoletttöne oder perkussive Klänge hervorbringen. …

Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein erforschten verschiedene Komponisten immer wieder neue Möglichkeiten, das Klangspektrum des Klaviers zu erweitern. … Die wesentliche Innovation, der Cage auch einen gebührenden Platz in der Geschichte der Musik und speziell der Klaviersonate beschert haben, ist daher auch die Veränderung des Timbres durch beinahe handwerklich zu nennende Änderungen am Klavier: Das Einbringen von Fremdgegenständen in den Klangkörper oder auf die Saiten. Die Manipulation des Klangbildes am Instrument selbst grenzt ihn von den Neuerungen anderer Komponisten ab. …

Cage arbeitete mit Gegenständen des Alltags – Schrauben, Nägel, Bolzen, Dichtungsmaterialien. Als Cage schließlich das geeignete Präparationsmaterial gefunden hatte, das nicht nur zwischen den Saiten haften blieb, sondern auch die gewünschten perkussiven bis glockenartigen Klänge produzierte, hatte er gleichzeitig die natürliche Spielweise des Klaviers erhalten: das Instrument konnte – wenn auch etwas leiser als sonst – in all seinen virtuosen Möglichkeiten bespielt werden.

Diese Klangmanipulationen sind es, die die eigentliche Revolution der Klaviermusik ausmachen. Die ursprünglichen Farben der Töne wandelten sich drastisch und ließen sich oft kaum mehr als solche erkennen, je nachdem, woraus die Präparierung bestand und wo an den Saiten man sie befestigte.

In seinem 1937 formuliertem Credo hatte Cage schon sein Ziel formuliert: „Es gilt das akademisch verbotene, nichtmusikalische Klangfeld, soweit dies manuell möglich ist, zu erforschen.”

Nachdem Schönberg die Tonskala bereits von der Vorherrschaft eines tonalen Zentrums entbunden und die zwölf Töne enthierarchisiert hatte, erhob Cage dieses Prinzip auf eine weitere Ebene, indem er das Schönbergsche Konzept auf den gesamten Klangraum ausdehnte. Seiner schon früh geprägten Ansicht, dass „die Dinge nicht nur schön sein müssen.“ trug er so Rechnung, strebte er doch die Gleichberechtigung aller Klänge ohne Beachtung ihrer ästhetischen Qualität an. In den Klangkatalog des präparierten Klaviers nahm er daher auch absichtlich unangenehme Klänge auf.

(text aus: wikipedia)

 

 

John Cage – Alles ist möglich
Auszüge aus der John Cage Dokumentation, 2012
Regie: Thomas von Steinaecker, Kamera: Rene Gorski

Der Film zeigt die Persönlichkeit John Cage (1912–1992) nicht nur als Maler, Dichter, Philosoph, sondern auch als einen der einflussreichsten Künstler seiner Zeit, der von Anfang an mit Krisen zu kämpfen hatte. Schon zu Beginn seines Schaffens prognostiziert Arnold Schönberg seinem Schüler keine große Karriere als Komponist. Vielleicht bleibt Cage, der Sohn eines Erfinders und einer Kolumnistin der L.A. Times, gerade deswegen entschieden auf seinem experimentellen Weg als Klangforscher, der ihm zunächst weder Ruhm noch Einkommen beschert. …

Die Dokumentation untersucht Cages bahnbrechende musikalische Neuerungen, die bis heute weitreichenden Einfluss auf Musiker in der ganzen Welt hatten und haben, z. B. auf Luigi Nono und Die Einstürzenden Neubauten. Neben dem ‚Prepared Piano‘ gehört dazu auch die Weiter-Entwicklung der Zwölftontechnik, die als Vorgänger der seriellen Musik gilt sowie das Prinzip der Zufallskomposition. Kompositionen, die anfangs noch von einem Münzwurf entschieden werden, generiert bald der Computer. …

Wertvolles Archivmaterial lässt Cage selbst zu Wort kommen. Er ging davon aus, dass die Funktion von Kunst nicht ist, die persönlichen Ideen und Gefühle eines Menschen zu kommunizieren, sondern die Natur in ihren Abläufen zu imitieren. Stille interessierte ihn, denn sie war am Schwersten zu finden in der Musik. Doch in Stücken wie dem ‚Fontana Mix‘ (1958) verarbeitet er Geräusche von New Yorker Straßenzügen.

(text aus: wikipedia)

 

 

How To Get Out Of The Cage – A Year With John Cage 
Frank Scheffer, Documentary, 2012

Der Dokumentarfilm des Filmemachers Frank Scheffer zeigt ein intimes Porträt eines der wichtigsten Komponisten und kreativen Köpfe des 20. Jahrhunderts bei der Arbeit. Von 1982 bis 1992 arbeitete Scheffer mehrfach mit John Cage zusammen, was zu einem einzigartigen Archiv historischen audiovisuellen Materials führte: mit Interviews, musikalischen Performances und Bildern verschiedener Orte aus Cages Leben und Werk schuf Frank Scheffer den Film „How to get out of the Cage – A Year with John Cage“.

 

 

John Cage
Lärm einer Baustelle? – Musik in John Cages Ohren.
3sat begleitet den Musiker im Entstehungsprozess seiner Musik.

 

 





Karlheinz Stockhausen
Pionier der elektronischen Musik

 

„Kontakte“ von Karlheinz Stockhausen
Pianist Pierre-Laurent Aimard und Schlagzeuger Dirk Rothbrust präsentierten am 22. Oktober 2015 im Rahmen der musica viva Karlheinz Stockhausens frühes Meisterwerk „Kontakte“, eine Komposition für Elektronik, Klavier und Schlagzeug. BR-KLASSIK war bei einer Probe im Herkulessaal dabei und hat mit den beiden Musikern über das Werk des großen Klangvisionärs gesprochen.

 

Auszug aus der Notation zu „Kontakte”

 

 

 

Hommage an Stockhausen
Revolutionär beim Musikfest Berlin

Seine Stücke nannte er „Engel-Prozessionen“, „Mantra“, oder „Inori“, was so viel heißt wie Gebet: Der aus dem katholischen Köln stammende Komponist Karlheinz Stockhausen hat nicht nur die Grenzen des Klangs, sondern auch des Glaubens erweitert. In seinen Kompositionen hat der religiöse Revolutionär stets die Harmonie der Welt und der Religionen beschworen, die Vielfalt in der Einheit. Dafür wurde er oft belächelt und ausgepfiffen.

Doch wie sieht es mit diesen Werken heute aus, zwölf Jahre nach seinem Tod? In einer Zeit, die Politologen als das ‚Jahrhundert der Religion‘ bezeichnen, wo wir über Kruzifix oder Kopftuch im Klassenzimmer debattieren und religiöser Fanatismus Raum greift. Was hätte Stockhausen zu all dem gesagt? Sein spirituelles Stück „Mantra“ für zwei Klaviere ist heute eines der populärsten Werke zeitgenössischer Musik und wird neben „Inori“ beim Musikfest Berlin wieder aufgeführt. Wir waren bereits bei den Proben in Luzern mit dem Lucerne Festival Orchestra dabei.

 

 

Karlheinz Stockhausen
(1928–2007)

komponierte 375 einzeln aufführbare Werke, darunter den Opernzyklus „LICHT – Die sieben Tage der Woche“, der zwischen 1977 und 2003 entstand und insgesamt etwa 29 Stunden Musik umfasst. Alle sieben Teile des musikalischen Werkes wurden bereits uraufgeführt: „DONNERSTAG“ (1981), „SAMSTAG“ (1984), „MONTAG“ (1988), produziert von der Scala di Milano, „DIENSTAG“ (1993) und „FREITAG“ (1996) in der Oper Leipzig sowie „SONNTAG“ (2011) von der Oper Köln. Mit „MITTWOCH“ präsentierte die Birmingham Opera Company den letzten Tag der Heptalogie „LICHT“ 2012.

Stockhausen, dessen Ziel es war, nach der Woche auch noch die Stunden des Tages, die Minute und die Sekunde zu musikalisieren, setzte sein Werk im Anschluss an „LICHT“ mit dem Zyklus „KLANG – Die 24 Stunden des Tages“ fort. Bis zu seinem Tod im Dezember 2007 komponierte er 21 Stunden, angefangen von der 1. Stunde „Himmelfahrt“ bis zur 21. Stunde „Paradies“.

Karlheinz Stockhausen begann seine kompositorische Laufbahn Anfang der 1950er Jahre.

1952 bis 1953 studierte er in Paris bei Olivier Messiaen und lernte hier Pierre Boulez kennen. Mit ihm und Luigi Nono bildete Stockhausen, dessen erste Kompositionen der „punktuellen Musik“ schon internationale Anerkennung gefunden hatten, in den 50er Jahren das sogenannte „Dreigestirn“ der Neuen Musik. 1954 bis 1956 studierte Stockhausen noch Phonetik und Kommunikationsforschung bei Werner Meyer-Eppler an der Universität Bonn.

Zunächst vertonte Stockhausen hauptsächlich eigene Texte für Chöre. Schlagartig bekannt wurde er nach der Uraufführung von „Kreuzspiel“ 1951. 1953 wurde er ständiger Mitarbeiter und 1963 Leiter des Studios für elektronische Musik des Nordwestdeutschen Rundfunks Köln. Zwischen 1953 und 1956 entstanden dort mit den „Studien I und II“ und „Gesang der Jünglinge“ seine ersten elektronischen Kompositionen, die später zu den wichtigsten Arbeiten innerhalb der elektronischen Musik gerechnet wurden.

Bei den Internationalen Ferienkursen in Darmstadt nahm Stockhausen 1951 bis 1974 und 1996 als Dozent für Komposition teil und stellte dort viele seiner Werke sowie musikalischen Ideen vor. Im September 1971 wurde er auf den Lehrstuhl für Komposition an der Staatlichen Hochschule für Musik in Köln berufen. Dieses Amt gab er 1977 wegen der ausgedehnten Reise- und Konzerttätigkeit auf. Er lehrte außerdem Komposition am Konservatorium in Basel (1963), an der University of Pennsylvania in Philadelphia (1964) sowie an der University of California in Davis (1966-1967). 1997 begannen in Kürten die jährlichen Stockhausen-Kurse für Komposition und Interpretation.

Sein Ruhm als Klangerfinder und Schöpfer kühner musikalischer Prozesse war im Jahre 1970 mit den Weltausstellungskonzerten im Kugelauditorium von Osaka endgültig begründet. Er trug entscheidend zur Formulierung der seriellen Musik bei und bestimmte die Entwicklung der elektronischen Musik modellhaft mit. Zu seinen bahnbrechenden Verdiensten werden unter anderem die Verbindung von Musik und Raum sowie die Erforschung der neuen, den Tonhöhen in der Zwölftonmusik entsprechende, systematische Organisation der Tondauern gerechnet.

 

Stockhausen music and cosmology
The Space

 

Die Kölner „Originale“, „Hymnen“, „Stimmung“, „Sternklang“, „Am Himmel wandre ich“ – Stockhausen wandte sich zunehmend Kompositionsformen zu, deren kosmische Aspekte bereits im Titel deutlich wurden. Wesentlich wurde die Begegnung mit Ostasien, Japan und dem Zen-Buddhismus. „Musik als Tor zum Spirituellen“ überschrieb Michael Kurtz, der Autor der ersten Stockhausen-Biographie, die Jahre 1970 bis 1974 und setzte als Motto Stockhausens Wort darüber: „Das Essenzielle meiner Musik ist immer religiös und spirituell, das Technische ist nur Erläuterung.“ Damals kam es auch zum Bruch mit der Linken, die sich vom Verfasser komponierter Träume und Gebete wegen seines Mystizismus und angeblich autoritären Gebarens abwandten.

 

 

In einem von Stockhausen entworfenen Kugelauditorium wurden während der Weltausstellung Expo’70 in Osaka, Japan, mit 20 Instrumentalisten und Sängern 183 Tage 5½ Stunden täglich die meisten der bis 1970 komponierten Werke Stockhausens für über eine Million Zuhörer aufgeführt. Stockhausen hatte mehrere Gastprofessuren in der Schweiz, in den USA, Finnland, Holland und Dänemark inne. 1971 wurde er zum Professor für Komposition an der Hochschule für Musik Köln berufen. Karlheinz Stockhausen Entwicklung als Komponist ist gekennzeichnet durch makellose Integrität und nie endende Kreativität, und dadurch, dass er über 50 Jahre an der vordersten Front der musikalischen Entwicklung gestanden hat.

(text aus berliner-festspiele/programm)

 

 

 

Oper „Aus Licht“
von Stockhausen an der Dutch National Opera

„Aus Licht“ von Karlheinz Stockhausen ist ein Werk, das jeden Rahmen sprengt: Ein Zyklus von sieben radikalen Opern – bislang noch nie ungekürzt aufgeführt. Die Dutch National Opera präsentiert ein Kondensat, das dennoch drei Aufführungstage in Anspruch nahm.

quelle: arte.tv/de/videos

 

Momente (black and white film by Gérard Patris, 1965)

 

Momente (1962/1969)

Momente ist ein Werk des deutschen Komponisten Karlheinz Stockhausen, das zwischen 1962 und 1969 entstanden ist und für Solosopran, vier gemischte Chöre und dreizehn Instrumentalisten (vier Trompeten, vier Posaunen, drei Schlagzeuger und zwei elektrische Keyboards) aufgeführt wurde. Als „Kantate mit radiophonen und theatralischen Obertönen“ wird sie vom Komponisten als „praktisch eine von ihren Küken umgebene Oper von Mutter Erde“ beschrieben. Es war Stockhausens erstes Stück, das nach den Prinzipien der modularen Übertragbarkeit komponiert wurde, und seine erste musikalische Form, die sich aus Kategorien von Empfindung oder Wahrnehmung und nicht aus numerischen Einheiten der musikalischen Terminologie ableitet, was eine wesentliche Veränderung des musikalischen Ansatzes des Komponisten gegenüber den abstrakten Formen der 1950er Jahre darstellt.

 

Momente Formschema

 

In jeder Aufführung kommen vier Sprachen vor: die deutschen Texte sollen in der Landessprache des aufführenden Ensembles gesungen werden und einige – in der Partitur bezeichnete – Stellen in einer ersten, zweiten und dritten Fremdsprache.

1. Das Hohelied Salomos. (Das Alte Testament nach der Übersetzung Martin Luthers).

2. Stellen aus einem Brief Mary Bauermeisters.

3. Einige Ausrufe von den Trobriand Inseln, Britisch Neuguinea (aus Bronislaw Malinowski: The Sexual Life of Savages in North-Western Melanesia. New York: Harcourt, Brace & World, Inc., 1929).

4. Ein Zitat von William Blake: „He who kisses the joy as it flies lives in Eternity’s sunrise.“ gefunden im „Prelude“ des Buches Man’s Emerging Mind by N. J. Berill, New York: Fawcett World Library, 1955.

5. Namen aus Märchen, selbstgebildete Namen, Rufe.

6. Publikumsreaktionen (Zurufe, Phrasen).

7. Selbstgebildete onomatopoetische Wörter und rein phonetisch gebildete Nonsens-Silben.

stockhausen momente

 

Vorwort zur Partitur von „Momente”

 





Pierre Schaeffer und Pierre Henry
Musique concrète

 

 

Pierre Schaeffer
(* 14. August 1910 in Nancy; † 19. August 1995 in Aix-en-Provence) war ein französischer Komponist und Schriftsteller. Verbunden mit der Kritik, die abendländische Musik verschließe sich mit der Beschränkung auf traditionelle Musikinstrumente und der daraus resultierenden Beschränkung auf festgelegte Tonhöhen einer wichtigen Sphäre, entwickelte Schaeffer in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine neue musikalische Praxis. Durch die Arbeit mit Tonbändern konnte auf eine traditionelle Notation verzichtet werden. Damit hinterfragte Schaeffer nicht nur das traditionelle Instrumentarium, sondern löste gleichzeitig auch das Verhältnis zwischen Komponist und Interpret auf.

Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete Schaeffer, der eigentlich Ingenieur war, beim französischen Rundfunk. Dort experimentierte er mit Alltagsgeräuschen, die er zunächst auf Schallplatte, ab 1951 auch auf Tonband aufnahm, verfremdete und zu neuen Klangkompositionen montierte. Die Mittel der Verfremdung beschränkten sich auf die Wiedergabegeschwindigkeit und -richtung. Außerdem entwickelte er eine Möglichkeit, kurze Abschnitte einer Schallplatte als Schleife wiederzugeben.

 

 

Pierre Schaeffer
Etude aux chemins de fer (1948)

Fast 50 Jahre bevor DJ Shadow’s „Endtroducing” als erstes Album gefeiert wurde, das ausschließlich aus Samples bestand, stellte sich ein französischer Sender eine Musik vor, die ausschließlich aus zuvor aufgenommenen Loops bestand.

Sampling, ja sogar bis zu einem gewissen Grad Turntablismus, lässt sich auf die Aufnahmeexperimente von Pierre Schaeffer zurückführen. Als Ingenieur, Schriftsteller, Komponist, Philosoph, Musikwissenschaftler, Pädagoge und Akustiker ist Schaeffer eine der einflussreichsten Persönlichkeiten der modernen Musik, bekannt für die Pionierarbeit bei einer radikalen Innovation in der Musik des 20. Jahrhunderts. Die dabei entstandene experimentelle Musik nannte er Musique concrète (Konkrete Musik). Sie hatte großen Einfluss auf die Elektronische Musik und das Hörspiel.

 

 

Pierre Schaeffer
Etude pathétique (1948)

Etude pathétique‘ ist die letzte und vollendete Folge in Schaeffers erster Sammlung von musique concrète Stücken, Cinq études de bruits (Five Studies of Noises). In der Nacht vor der Abreise zu einer Geschäftsreise und frustriert über seinen mangelnden Fortschritt entschied sich Schaeffer, noch eine letzte Studio-Session zu starten. Während dieser letzten Session fand er im Studio eine Platte mit einem Monolog des französischen Schauspielers Sacha Guitry; die Aufnahme war insofern einzigartig, als sie ab und zu durch den nagenden Husten des Skriptleiters der Aufnahmesession unterbrochen wurde. Mit diesem Rohstoff in der Hand entschied sich Schaeffer, seine musique concrète Techniken auf die menschliche Stimme anzuwenden.

Die daraus resultierende Montage ist gespenstisch: ein zersplitterter Anruf zwischen den Linien von Guitry („On your lips, on your lips“) und dem kehligen Husten, unterstützt von einer geisterhaften Klanglandschaft aus Akkordeon- und Mundharmonikafragmenten, Ausschnitten balinesischer Musik, echorierendem Klavier, dem Tuckern von Kanalbooten und dem Klang von drehenden Blechdosen, die das Stück öffnen und schließen. Wie er sagt, dauerte es nur wenige Minuten, bis Schaeffer fertig war, aber er erkannte sofort, dass es das beste seiner frühen Werke war. Etude pathétique‘ war eines der ersten Musikstücke, das die verführerische und formbare Qualität der gesampelten menschlichen Stimme enthüllte.

 

Pierre hoch zwei: Pierre Schaeffer und Pierre Henry

 

Der wichtigste Moment in Schaeffers Karriere kam 1949, als er Pierre Henry traf, einen klassisch ausgebildeten Komponisten, mit dem er die Groupe de Recherche de Musique Concrète (GRMC, später GRM) gründete, das erste Studio, das speziell für elektroakustische Musik konzipiert wurde.

 

 

In den nächsten 10 Jahren würden die beiden Komponisten das Gesicht der Musik für immer verändern. Neben ihren unzähligen ästhetischen Innovationen erzielten sie viele technische Erfolge, indem sie den Einsatz von Magnetband durch Spleißen und Schleifen bahnten und mehrere neue Erfindungen einführten: ein dreispuriges Tonbandgerät, eine 10-Kopf-Verzögerungs- und Schleifenmaschine (das Morphophon), ein tastaturgesteuertes Gerät, das Schleifen mit verschiedenen Geschwindigkeiten wiedergeben kann (das Phonogen), und mehrere Verstärkungssysteme, die für räumliche Klangexperimente verwendet werden.

 

 

Hommage á Pierre Henry
Arte

Pierre Henry (* 9. Dezember 1927 in Paris; † 5. Juli 2017 ebenda) war ein zeitgenössischer französischer Komponist. Er gilt als Wegbereiter der elektronischen Musik und der Musique concrète.

 

Ballet de Maurice Béjart 

 

 

Pierre Schaeffer und Pierre Henry
Symphonie Pour un Homme Seul (1949/50)

Der einsame Mensch sollte seine Symphonie in sich selbst finden, nicht nur, indem er die Musik abstrakt konzipiert, sondern auch, indem er sein eigenes Instrument ist. Ein einsamer Mensch besitzt wesentlich mehr als die zwölf Töne der abgegebenen Stimme. Er weint, er pfeift, er geht, er schlägt mit der Faust, er lacht, er stöhnt. Sein Herz schlägt, seine Atmung beschleunigt sich, er sagt Worte, gibt Rufe ab und andere Rufe antworten auf ihn. Nichts klingt wie ein einsamer Schrei, als das Geschrei der Menschenmassen.

Zwischen 1949 und 1958 wirkte Henry am Club d’Essai-Studio des RTF, das von Pierre Schaeffer begründet worden war. In den Jahren 1949–1950 komponierte Henry zusammen mit Schaeffer die Symphonie pour un homme seul. Die Uraufführung am 18. März 1950 erregte Aufsehen, weil Henry zusammen mit Pierre Schaeffer und Jacques Poulin in der Pariser École Normale de Musique de Paris ein Werk ohne Partitur vorstellte, das elektronisch mithilfe von Schallplatten übertragen wurde und nur aus Klangcollagen bestand. Dieser Tag gilt als die Geburtsstunde der Musique concrète.

 

 

Pierre Schaeffer und Pierre Henry
Orphée 53 (1953)

Als Schaeffer und Henrys Orphée 53, die erste musique concrète Oper, im Oktober 1953 bei den Donaueschinger Festspielen uraufgeführt wurde, verärgerte und verwirrte sie die Hörer gleichermaßen. Sie bewirkte eine Vertiefung der ideologischen Kluft zwischen musique concrète und elektronischer Musik. Basierend auf Christoph Glucks Oper Orpheus und Euridice ist Orphée 53 eine höchst visuelle und kompromisslos surreale Meisterleistung, die nach wie vor zu den Highlights des Genres gehört.

Zusammengesetzt aus monströsem Brüllen, knirschendem Cembalo, Donner, Motorknurren, schwärmenden Bienen, sinnlichem Sprechen und Gott weiß, was sonst noch so allem, entzieht sich Orphée 53 der musikalischen Verspieltheit und dem Humor von musique concrète zugunsten großer, ätherischer Landschaften und unbequemer Klanggestaltung. Vor allem aber festigte die Orphée 53 die kulturelle Wirkung der musique concrète und sorgte dafür, dass kein Diskurs über die Geschichte der Avantgarde vollständig sein wird, ohne die anspruchsvolle neue Kunstform von Schaeffer und Henry zu erwähnen.

Im Jahr 1958 verließ Pierre Henry das RTF und gründete 1960 zusammen mit Jean Baronnet das erste private elektronische Studio Frankreichs.

 

 

Pierre Henry
Messe pour le temps présent (1967)

Henry komponierte seit 1952 neben Ballett- auch Filmmusik. Er arbeitete unter anderem mit den Choreographen Maurice Béjart und Alwin Nikolais zusammen. Sein erfolgreichstes Werk ist die „Messe pour le temps présent” aus dem Jahr 1967. Mit Psyché Rock aus dieser Messe wandte er sich erstmals auch der Rockmusik zu; dieses Lied wurde Ende der Siebziger Jahre von Roger Handt in der Hörfunksendung Radiothek als Vorspann der Reihe „Questionmark“ verwendet und in einer bearbeiteten Version ab 1999 zum Titelsong der Serie Futurama. In Ceremony aus dem Jahre 1969 arbeitete er mit der Gruppe Spooky Tooth zusammen, wobei er die Aufnahmen der Band nachträglich stark verfremdete.

Pierre Henry beeinflusste nicht nur die Neue Musik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sondern er gilt neben Karlheinz Stockhausen auch als einer der „Väter“ des Techno.

 

Pierre Henry und die Kunst des Klangs (2007)

 





Mauricio Kagel
Humor ist eine ernste Sache

 

Mauricio Kagel
(* 24. Dezember 1931 in Buenos Aires; † 18. September 2008 in Köln)

war ein argentinisch-deutscher Komponist, Dirigent, Librettist und Regisseur. Sein Gesamtwerk umfasst neben Instrumentalmusik und Werken für das Musiktheater auch die Komposition und Produktion von Hörspielen und Filmen; er leistete einen wichtigen Beitrag zur Neuen Musik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

 

Zwei-Mann-Orchester. Für zwei Ein-Mann-Orchester, 1971–73

 

Kagel selbst entwickelte eigene Instrumente und Spieltechniken, etwa für den Film Zwei-Mann-Orchester oder das Instrumentaltheater Exotica. Die Partituren stellen bisweilen komisch-originell konsequent nicht nur die Erwartungshaltung der Interpreten, sondern auch der Zuhörer auf den Kopf. Auch in Werken für den Konzertsaal spielt Theatralik und sichtbare Musik immer eine große Rolle. So stürzt der Solist im Konzertstück für Pauken und Orchester am Ende kopfüber in sein Instrument.

 

Acustica. Für experimentelle Klangerzeuger und Lautsprecher, 1968/1970

 

Andere Werke beziehen Alltagsgegenstände (Acustica) und Geräusche mit ein. Die Verwendung von Elektronik und Tonbandzuspiel, aber auch Verweise auf traditionelle Musik, waren für den Kosmos von Kagels Musik selbstverständlich. In seinen filmischen Realisationen sind zum Teil die Erläuterungen im Werk enthalten. Kagels Schaffen ist oft und in vielen Hinsichten mit Humor durchsetzt. Dabei ist ihm an einem Durchbrechen der Vierten Wand gelegen.

„Nur Leute, die Humor haben, sind unerbittlich ernst. Aber das hat viele Facetten.“

 

 

Mauricio Kagel wurde 1931 in Buenos Aires in einer jüdischen Familie deutsch-russischer Abstammung geboren. Der Nachname Kagel (stammt von seinem Grossvater väterlicherseits), ist deutschen Ursprungs. Früh erhielt er privaten Instrumentalunterricht und arbeitete in Buenos Aires als Filmkritiker, Korrepetitor und Dirigent, u. a. am Teatro Colón. Kagel hatte in den 1950er Jahren an den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik teilgenommen. 1957 reiste er mit seiner Frau, der Bildhauerin und Grafikerin Ursula Burghardt (1928–2008), die er im gleichen Jahr geheiratet hatte, mit einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes nach Deutschland. Das Paar hatte zwei Töchter.

Ab 1960 war er als Dozent bei den Darmstädter Ferienkursen tätig. 1968 kam es in Zusammenarbeit mit Wolf Vostell und anderen zur Gründung des Labor e.V., der akustische und visuelle Ereignisse erforschen sollte. In Köln fand die Veranstaltung 5-Tage-Rennen mit seiner Beteiligung statt. 1969 wurde er zum Direktor des Instituts für Neue Musik an der Rheinischen Musikschule in Köln und, als Nachfolger von Karlheinz Stockhausen, zum Leiter der Kölner Kurse für Neue Musik (bis 1975) ernannt; 1974 erhielt er an der Kölner Musikhochschule eine Professur für Musiktheater.

Kagel war Mitbegründer des Ensembles für Neue Musik in Köln und hat in den elektronischen Studios von Köln, München und Utrecht gearbeitet. Er dirigierte viele seiner Werke selbst und war Regisseur und Produzent aller seiner Filme und Hörspiele.

Kagel gilt als der wichtigste Vertreter des „Instrumentalen Theaters“, einer Art ritualisierten Konzertakts, in den auch die sichtbaren Begleiterscheinungen des Musizierens (Mimik, Gestik, Aktionen) mit einbezogen werden.

 

Repertoire – Szenisches Konzertstück aus „Staatstheater”, 1971

 

Mauricio Kagel
Repertoire – Szenisches Konzertstück aus „Staatstheater”
Szenische Komposition, 1967/70, UA an der Hamburgischen Staatsoper 1971

In einer Fernsehfilmproduktion spielen das Kölner Ensemble für Neue Musik und Mauricio Kagel „Repertoire“ aus „Staatstheater“ Szenische Komposition von 1967/70.

Ein eindrucksvolles Beispiel seiner Musiktheaterwerke ist das 1971 in der Hamburgischen Staatsoper uraufgeführte Werk Staatstheater, das aufgrund von Drohbriefen unter Polizeischutz aufgeführt werden musste.

Die Aufsehen erregende Uraufführung von Staatstheater an der Hamburger Staatsoper 1971 nahm den traditionellen Opernbetrieb ins Visier, zerlegte Institution und Gattung in ihre Einzelteile und wies dem Neuen Musiktheater einen inzwischen vielbeschrittenen Weg in die Zukunft.

 

kagel repertoire

 

 

Repertoire
Ausschnitt zum Blättern aus der Partitur zu Staatstheater

 

siehe hier als pdf: Partitur Staatstheater gesamt

In seiner 500 Seiten starken Partitur, zu der Kagel drei Jahre lang das Material auf Karteikarten sammelte, hat er nicht nur mit Klängen und Geräuschen, sondern mit allen Bühnenmitteln wie Figuren, Dekorationen, Requisiten, Beleuchtung sowie mit Bewegungsabläufen von Personen und Gegenständen komponiert.

Kagels „Staatstheater“ hat keine durchgehende Handlung, es besteht vielmehr aus neun abgeschlossenen Einzel-Stücken, die bezeichnende Namen haben wie „Repertoire“, „Ensemble“, Debüt“, „Saison“, „Freifahrt“, „Kontra Danse“, die sich gelegentlich überschneiden und untereinander austauschbar sind. Bis auf eines: „Repertoire“, das schreibt Kagel zwingend vor, muß stets den Anfang machen.

 

Text aus: Spiegel

 

 

Opera Lab Berlin – Staatstheater von Kagel, Ballhaus Ost Berlin, 2017

 

Fast ein halbes Jahrhundert nach der Uraufführung von Mauricio Kagels Staatstheater (1971 an der Hamburgischen Staatsoper) widmet sich Opera Lab Berlin einer neuen, zeitgemäßen Inszenierung dieses bahnbrechenden Musiktheaterwerks.

Unter den Ruinen der in die Luft gesprengten Opernhäuser betreibt das Phantom der Oper sein Altersheim. Die ewige Jugend bewohnt ein Hospiz ohne Erinnerung an die Zukunft. Das alte Staatstheater wird zum Theaterstaat der Alten. Der Zeitgeist ist dement.

Für unsere Neuinszenierung im Ballhaus Ost gehen wir daher einen Schritt weiter als Kagel: In einer auf Opera Lab Berlin zugeschnittenen Besetzung von 8 Musikern und 8 Sängern entwerfen wir einen musiktheatralischen Parcours – für 5 Abende verwandeln wir das Ballhaus Ost in einen fiktiven Staat! Unsere Zuschauer sind eingeladen, sich auf eine interaktive Reise durch unseren Mini-Staat zu begeben und sich gemeinsam mit uns der Frage zu stellen: Was darf der Staat, was soll er, was kann er – was bedeutet er für unser Leben? Wie begegnet er uns im Alltag? Wie können wir ein selbstbestimmtes, individuelles Leben in einer vorgegebenen Gesellschaft führen? Welche Rolle spielt der Staat bei aktuellen Fragen, Krisen und Konflikten? Und, nicht zuletzt: Welche Alternativen gibt es zu unserer Staatsform, die wir im Alltag nur selten in Frage stellen?

text: ballhausost

 

 

Instrumentales Theater:
Match für 3 Spieler, 1966 
Komposition und Film von Mauricio Kagel

 





György Ligeti
Popstar der Avantgarde

 

 

György Ligeti
Poème symphonique für 100 Metronome

Poème symphonique ist eine Komposition aus dem Jahr 1962 für hundert mechanische Metronome. Es wurde während seiner kurzen Begegnung mit der Fluxus-Bewegung geschrieben.

Das Stück erfordert zehn „Performer”, die jeweils für zehn der hundert Metronome verantwortlich sind. Die Metronome werden auf der Performance-Bühne eingerichtet, aufgezogen und auf unterschiedliche Geschwindigkeiten eingestellt. Sobald sie alle vollständig aufgezogen sind, herrscht nach Ermessen des Dirigenten eine Stille von zwei bis sechs Minuten; dann werden auf das Signal des Dirigenten hin alle Metronome so simultan wie möglich gestartet, die Darsteller verlassen dann die Bühne. Während die Metronome nacheinander ablaufen und schliesslich anhalten, macht sich die Periodizität im Klang bemerkbar – einzelne Metronome können klarer unterschieden werden. Das Stück endet typischerweise mit nur einem Metronom, das für ein paar Schläge allein tickt, gefolgt von Stille.

 

 

György Ligeti
Atmosphères für großes Orchester

Das Werk entstand zwischen Februar und Juli 1961 und wurde am 22. Oktober 1961 bei den Donaueschinger Musiktagen uraufgeführt. Das Werk gilt als Schlüsselwerk innerhalb der Neuen Musik und wurde vor allem durch die Verwendung im Film 2001: Odyssee im Weltraum berühmt. Die Gesamtdauer beträgt ungefähr neun Minuten.

Charakteristisch für das Werk ist die ausdifferenzierte, mikropolyphone Anlage. Dabei verschmelzen die 87 Instrumentalstimmen zu einem großen, nicht mehr trennbaren Gesamtklang, der quasi oszilliert und sich ständig wandelt. Der 4/4-Takt ist als Pulsgeber für das Stück nicht ausschlaggebend, sondern dient allein der Synchronisation der Einzelstimmen sowie der zeitlichen Gliederung. Ligeti strebte mit Atmosphères die Abkehr von einer strukturell gedachten Kompositionsweise an.

„In Atmosphères versuchte ich, das strukturelle kompositorische Denken, das das motivisch-thematisch ablöste, zu überwinden und dadurch eine neue Formvorstellung zu verwirklichen. In dieser musikalischen Form gibt es keine Ereignisse, sondern nur Zustände; keine Konturen und Gestalten, sondern nur den unbevölkerten, imaginären musikalischen Raum; und die Klangfarben, die eigentlichen Träger der Form, werden – von den musikalischen Gestalten gelöst – zu Eigenwerten.“

 

quelle: wikipedia

 

 

György Ligeti
Requiem for Soprano, Mezzo Soprano, Two Mixed Choirs & Orchestra
und Atmosphères

Die Premiere von Atmosphères, bei der das Sinfonieorchester des Südwestfunks unter der Leitung von Hans Rosbaud spielte, führte beim Publikum zu so großem Anklang, dass eine sofortige Wiederholung gefordert wurde. Als besonders sensationell galt Ligetis Werk deshalb, weil Atmosphères durch seine angestrebte Strukturlosigkeit mit der Überstruktur der seriellen Musik brach. Zu größerer Popularität führte die Verwendung in Stanley Kubricks Science-Fiction-Film „2001: Odyssee im Weltraum“.

 

 

György Ligeti
(28. Mai 1923 in Diciosânmartin, Siebenbürgen, Königreich Rumänien – 12. Juni 2006 in Wien)

war ein österreichisch-ungarischer Komponist. Er gilt als einer der bedeutenden Komponisten des 20. Jahrhunderts und als Repräsentant der Neuen Musik.

Das ist das Wunderbare an der Musik von György Ligeti – sie ist labyrinthisch, Haken schlagend und nie auf einen Begriff zu bringen. … In den achtziger Jahren versuchte man ihn vorübergehend der Postmoderne zuzurechnen, nachdem er seine groteske »Anti-Anti-Oper« Le Grand Macabre geschrieben hatte und ein umstrittenes Horn-Trio mit dem trotzigen Untertitel Hommage à Brahms, das er als »oppositionelles Stück gegen die Normen der Avantgarde« verstanden wissen wollte. Ligetis Œuvre jedoch ist alles andere als traditionalistisch rückwarts gewandt und postmodern. Er hat einen unverwechselbaren Personalstil ausgebildet, voller Facetten und Eigenwilligkeiten.

Das Strukturdenken des Serialismus etwa hat er 1961 mit seinem Orchesterstück Atmosphéres geradezu pulverisiert. Vollkommen statisch klingt das Werk als Klangflächenkomposition, in der Intervalle, Rhythmik und Geräuschelemente nur im Zustand völliger Zerstäubung vorkommen. Obwohl die Details raffiniert ertüftelt sind, ist die Wirkung der Musik magisch und unmittelbar. So sensationell suggestiv war der Eindruck, dass Stanley Kubrick die Musik für den Soundtrack seines Kinofilms 2001 – Odyssee im Weltraum verwendete. Atmosphéres ist einer von Ligetis größten musikalischen Coups, die Komposition gehört zu den Klassikern der modernen Musik.

Ein anderer Komponist hätte nach einem solchen Erfolg womöglich sein ganzes Leben im gleichen Stil weiterkomponiert. Aber Ligeti hat sich sofort wieder neuen Wegen und Verfahren zugewandt. Er schrieb die anarchischen Text-Musik-Dramolette Aventures/Nouvelles Aventures, um sich sogleich wieder von anderen Musikphänomenen inspirieren zu lassen. Für die verrücktesten Sachen hat sich der Unruhegeist interessiert. Er hat die kompliziert polyfone Jodel- und Trommelmusik der Pygmäen studiert und sich für die Apfelmännchen der fraktalen Geometrie begeistert, er hat die Entwicklungen im Jazz und in der Minimal Music mit wachem Ohr wahrgenommen und war hin und weg von den rasenden Musikwalzen, mit denen ader eigenbrötlerische Mexikaner Conlon Nancarrow seine mechanischen Klaviere fütterte. All das waren Fantasieauslöser und Denkanstöße für seine unverwechselbare Musik.

(text aus: zeit)

 

Interview mit György Ligeti – Uraufführung „Le Grand Macabre” 1978

 





Steve Reich
Minimal structures

 

Steve Reich
Pendulum Music (1966)

 

 

Steve Reich
Clapping Music (1972)

Er ist einer der Erfinder der „Minimal Music“: 1965 ließ Steve Reich zwei Tonbänder mit geringfügig unterschiedlicher Geschwindigkeit gleichzeitig laufen und entdeckte so das Prinzip des „Phase Shiftings“, das er zum Grundprinzip seiner Musik erhob. Minimale Mittel – zwei Leute, die klatschen – reichten ihm zuweilen aus, um faszinierende Effekte der Rhythmusverschiebung zu erzielen. Anfangs wurde Steve Reich verlacht, weil seine Musik zur Tonalität zurückkehrte und so einfach schien. Heute gilt er als Klassiker.

 

Steve Reich
(* 3. Oktober 1936 in New York City, New York) ist ein US-amerikanischer Komponist, der vor allem im Bereich der Minimal Music bekannt ist und als einer ihrer Pioniere gilt, obwohl er in späteren Werken vom puren minimalistischen Stil Abstand nahm.

Steve Reich zählt zu jenen Komponisten, die es geschafft haben, eine Nische in der Welt der zeitgenössischen Musik für sich selbst zu finden – besser gesagt, die sich eine individuelle, sofort erkennbare Ausdrucksweise angeeignet haben.

Seine Musik hat großen Einfluss auf Komponisten und Mainstream-Musiker in der ganzen Welt ausgeübt. Er ist ein führender Wegbereiter des Minimalismus, der schon als Jugendlicher mit dem „Establishment“ des Serialismus brach. Seine Musik ist bekannt für regelmäßigen Puls, Repetition und eine Faszination an Kanons; sie kombiniert strenge Strukturen mit vorwärts treibenden Rhythmen und verführerischer Instrumentalfarbe. Sie umfasst auch Harmonien nicht-westlicher und amerikanischer Volksmusik (insbesondere des Jazz). Seine Studien umfassten bislang das Gamelan, afrikanisches Trommeln (an der Universität Ghana) und traditionelle Gesangsformen der hebräischen Heiligen Schriften.

“Noch wichtiger war für mich allerdings die Erkenntnis, Kanons als Grundbausteine meiner Kompositionstechnik einsetzen zu können” sagt Reich im Interview mit Bálint András Varga. „Kanons, welche sich im Einklang befinden, stellen mittlerweile die Basis all meiner Musik dar. Die ganze Phasen-Technik, die ich durch die Arbeit mit Tonbandmaschinen zu It’s Gonna Rain (1965) entdeckt habe, und die ich später mit Piano Phase (1967) auf Musikinstrumente übertragen habe, kann als eine Form der kanonischen Verarbeitung gesehen werden, in der das Thema sehr kurz ist und sich die rhythmische Distanz zwischen zwei oder mehreren Stimmen im stetigen Wandel befindet.

 

 

Steve Reich
Music for Pieces of Wood (1973)

 





Harry Partch
Komponist und Querdenker

 

Harry Partch,
1901 in Kalifornien geboren, war Komponist, Vagabund, Musiktheoretiker und ein begnadeter Bastler. Für seine visionäre Musik baute er einzigartige Instrumente.

MIKROTÖNE STATT MAINSTREAM
1930, Harry Partch ist Ende zwanzig und ein ambitionierter Komponist. Und verbrennt alle seine bisherigen Werke. Ihm erscheinen die zwölf Halbtöne einer Oktave als viel zu ungenau. Partchs Vision ist eine Musik mit viel feineren Tonabständen, als man sie auf einer Klaviertastatur spielen kann. So entwickelt er ein ausgeklügeltes Tonsystem mit 43 Mikrotönen statt der üblichen 12 Töne pro Oktave. Als Vorbild dient ihm das menschliche Sprechen, seine Nuancen und Zwischentöne.

IM ZIRKUS DER KLANGEXOTEN
Doch um dieses Theoriegebäude zum Klingen zu bringen, braucht es völlig neuartige Instrumente. Unzählige Stunden tüftelt er und baut schließlich einen ganzen Zoo exotischer Klangobjekte.

Partchs erstes Instrument: Die » Adapted viola« – eine Bratsche, an die er das viel längere Griffbrett eines Cellos schraubt. In den folgenden Jahrzehnten kommen über vierzig weitere Instrumente hinzu. Manche klingen wie die genmanipulierten Geschwister von afrikanischen oder asiatischen, altertümlichen oder bekannten Orchesterinstrumenten.

KOMPONIST, LANDSTREICHER, AUSSENSEITER
Partchs Arbeit erregt Aufmerksamkeit. Durch eine Förderung der Carnegie Corporation kann er nach London reisen und sich dort dem Studium antiker Musiktheorie widmen. Das Ende seines Stipendiums 1935 fällt in die Jahre der »Great Depression«, der Wirtschaftskrise in den USA. Partch beginnt ein Vagabundenleben, reist ohne festes Zuhause illegal auf Güterzügen durch die Lande und hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Wie seine Musik findet auch er selbst keinen Platz in der Gesellschaft.

Während der langen Zugfahrten sinniert und tüftelt er weiter an seinem Tonsystem, setzt Briefe oder die Bahnhofsgraffitis anderer »Hobos« in Musik. Schließlich findet der mittellose Komponist auf einer Ranch in Kalifornien Unterschlupf – ein Freund lässt ihn eine alte Schmiede zur Musikwerkstatt umbauen, wo Partch weiter an seinen Instrumenten bastelt.

Er gilt als Sonderling, eckt an, und doch verblüffen und inspirieren seine Studien und Instrumente andere Forscher und Musiker: Universitäten bieten ihm an, zu lehren, seine Musik einzustudieren und Projekte zu verwirklichen. Trotzdem bleibt er zeitlebens, fernab des Establishments, ein Nonkonformist.

(text aus programm elbphilharmonie)

 

 

 

Der Komponist Harry Partch – ein amerikanischer Querdenker
Harry Partch Project | Ensemble musikFabrik

Video-editing | Valerij Lisac | klanghafen.de
© 2013 Valerij Lisac, commissioned by Ensemble musikFabrik

Das Ensemble musikFabrik widmet sich einem der originellsten Künstler und Musiker des 20. Jahrhunderts, dem amerikanischen Komponisten Harry Partch (1901–1974). Als wegweisender Vorläufer weiterer Aufführungen in Deutschland und Europa wird Heiner Goebbels, Künstlerischer Leiter der Ruhrtriennale, die Europa-Premiere von Partchs spätem Meisterwerk „Delusion of the Fury – A Ritual of Dream and Delusion“ (1965–66) auf der Ruhrtriennale 2013 leiten. Bei dieser Gelegenheit wird das gesamte Instrumentenensemble von den Mitgliedern der Ensemble musikFabrik komplett rekonstruiert und erlernt.

 

 

Videointerviews
mit Thomas Oesterdieckhoff, Heiner Goebbels, Thomas Meixner

über Harry Partch Delusion of the Fury

Camera & Video-editing | Valerij Lisac | klanghafen.de
© 2013 Valerij Lisac, commissioned by Ensemble musikFabrik

 

 

The Instrument Building | Harry Partch Project Part 2

Camera & Video-editing | Valerij Lisac | klanghafen.de
© 2013 Valerij Lisac, commissioned by Ensemble musikFabrik

 

 

The Staging of Delusion of the Fury | Harry Partch Project Part 3

Camera & Video-editing | Valerij Lisac | klanghafen.de
© 2013 Valerij Lisac, commissioned by Ensemble musikFabrik

 

 





Tod Machover
Hyperinstruments and the future of music

 

Tod Machover
A pioneer in music technology

 

 

Durch die Gestaltung neuer Interfaces für professionelle Virtuosen und Hobbymusiker, die Entwicklung neuer Techniken zur Interpretation und Erfassung expressiver Gesten und die Anwendung dieser Technologien auf innovative Kompositionen und Experimente wollen wir die Musik als Performancekunst weiterentwickeln und ihre transformative Kraft als Kontrapunkt zu unserem Alltag entwickeln. Das Spektrum unserer Forschung umfasst das Design von Musikinstrumenten, Konzepte für neue Aufführungsräume, interaktive Tournee- und Festinstallationen sowie „Musikspielzeug“. Sie reicht von der Erweiterung traditioneller Formen bis hin zu radikalen Aufbrüchen wie der Brain Opera, der Toy Symphony, Death and the Powers und City Symphonies.

 

see also MIT opera of the future

 

 

Tod Machover:
Try Something You’ve Never Tried Before

Tod Machover, bekannt als „America’s Most Wired Composer”, gilt als einer der bedeutendsten und innovativsten Komponisten seiner Generation und ist auch bekannt für die Erfindung neuer Technologien für die Musik, einschließlich Hyperinstrumente. Machover studierte an der Juilliard School. Er ist Professor für Musik und Medien am MIT Media Lab. Machover ist auch der Erfinder von Hyperscore und Mitbegründer und Chairman von Harmony Line Inc., einem Unternehmen, das sich der Entwicklung musikalischer Werkzeuge und Techniken widmet, um das kreative Musizieren für jedermann zugänglich zu machen.

 

 

Visionär

Interview mit Tod Machover, Komponist, Erfinder und Pädagoge, in dem er einige der neuesten Projekte zeigt, die von der Gruppe Opera of the Future im MIT Media Lab entwickelt wurden. Auch der Komponist Dan Ellsey, der Zerebralparese hat, zeigt uns eine Komposition, die er mit Tod Machovers Hyperscore Software geschrieben hat. Seit drei Jahrzehnten verblüfft er die Welt mit avantgardistischen musikalischen Erfindungen, die die Art und Weise, wie Menschen Musik machen, verändern.

 

 

Ars Electronica 1996, “Brain Opera” by Tod Machover MIT
(video clip from the ORF-Documentary about Ars Electronica 1996)

Kurzes Video über die Präsentation der „Brain Opera” von Tod Machover vom MIT auf der Ars Electronica 1996. Die Videos zeigen die interaktive Installation sowie kurze Ausschnitte aus dem Konzert / der Performance.

 





Laurie Anderson
Multimediale Pionierin

Laurie Anderson ist eine der bekanntesten und innovativsten Künstlerinnen Amerikas, die eine erstaunliche Vielfalt an Multimedia-Kunstwerken produziert hat. Bekannt vor allem für ihre multimedialen Präsentationen, hat sie sich in so unterschiedlichen Rollen wie bildende Künstlerin, Komponistin, Dichterin, Fotografin, Filmemacherin, Elektronik-Spezialistin, Sängerin und Instrumentalistin engagiert. Sie beschäftigt sich mit den Themen Technik, Musik, Politik und darüber hinaus.

 

 

Laurie Anderson
O Superman 1982

 

Das Werk der amerikanischen Künstlerin Laurie Anderson besetzt das Grenzgebiet von High-Tech-Theater, bildender Kunst, Popmusik und Cyberspace. Anderson begann als experimenteller Künstler in den frühen 1970er Jahren und wurde in den 1980er Jahren zu einer Ikone in der Popkultur, nachdem ihr Song ‚Superman‘ es auf die Hitliste geschafft hatte. In den 90er Jahren konzentrierte sie sich, während sie weiterhin live auftrat, erneut auf den Einsatz neuer Medien und Technologien. Mit der CD-ROM Puppet Motel schuf sie eine Reihe von Webseiten über ihre Arbeit und erforschte den Bereich der interaktiven virtuellen Performance. Der Umfang von Anderson’s Arbeit reicht von konzeptionellen minimalistischen Performances (Duet on Ice) bis hin zu großen elektronischen Opern (United States I-IV).

Laurie Anderson bringt nicht nur verschiedene künstlerische Medien zusammen, sondern verschmilzt auch Theater und Technik als Mittel zur Repräsentation des Einzelnen in der modernen Welt der Massenkultur und Hi-Tech-Simulationen. Dies ist ein Theater, in dem die Technologie zu einer organischen Erweiterung von Stimme, Körper und Raum wird. Es ist auch ein Mittel zur Entgrenzung und Verschiebung sowohl bekannter Performance-Strategien als auch der Wahrnehmung und des Ausdrucks von Massenmedienkultur.

Sie hat Experimentalfilme gedreht, Skulpturen ausgestellt, Bücher geschrieben und …
Laurie Anderson hat mehrere Musikinstrumente und High-Tech-Geräte erfunden, die sie für ihre Aufnahmen und Aufführungen verwendet hat.

 

 

 

Laurie Anderson
Viophonograph (1977)

Die im Bogen montierte Nadel wird auf die Schallplatte auf dem auf der Geige montierten Plattenspieler gesetzt. Die Aufnahme besteht aus mehreren Spuren von Geigentöne und Melodie-Phrasen.

 

 

Laurie Anderson
Gravitys Angel
from Home of the Brave, 1984

 

 

Tape-bow violin
Die Band-Bogen-Geige ist ein Instrument, das 1977 von Laurie Anderson entwickelt wurde. Der Bogen verwendet aufgezeichnetes Magnetband anstelle des traditionellen Rosshaares und vor dem Steg der Violine ist ein Tonkopf montiert. Anderson hat dieses Gerät im Laufe der Jahre aktualisiert und modifiziert.

In ihrem Film Home of the Brave im Segment „Late Show“, in dem sie einen von William S. Burroughs aufgenommenen Satz manipuliert, ist sie mit einer späteren Generation dieses Gerätes zu sehen. Diese Version des Geigen-Magnetbandes verwendete stattdessen MIDI-basierte Hörproben, die durch den Kontakt mit dem Bogen ausgelöst wurden.

 

 

 

Talking stick
In den späten 90er Jahren erfand Anderson einen weiteren MIDI-Controller namens Talking Stick, ein 1,80 m langes, drahtloses, stabförmiges Gerät, das nach dem Prinzip der Granularsynthese arbeitet. Es nimmt einen Klang auf und zerlegt ihn in kleinere Segmente (die sie „Körner“ nennt) und spielt diese auf verschiedene Weise wieder ab.

Der Computer ordnet die Klangfragmente zu fortlaufenden Zeichenketten oder zufälligen Clustern um, die in überlappenden Sequenzen wiedergegeben werden, um neue Texturen zu erstellen.

 

 

Laurie Anderson
Language Of The Future

 

Voice Filter
Ein wiederkehrendes Motiv in Andersons Werk ist die Verwendung eines Sprachfilters, der ihre Stimme in ein männliches Register vertieft, eine Technik, die Anderson als „Audio Drag“ bezeichnet hat. Anderson verwendet den resultierenden Charakter seit langem in ihrer Arbeit als „Stimme der Autorität“ oder des Gewissens, obwohl sie später entschied, dass die Stimme viel von ihrer Autorität verloren hatte und stattdessen begann, die Stimme für historische oder gesellschaftspolitische Kommentare zu nutzen, wie sie an „Another Day in America“, einem Stück aus ihrem 2010er Album Homeland, verwendet wird.

 

Laurie Anderson Inventions

 

Laurie Anderson
Invented Instruments

 

 

 

Laurie Anderson
Laurie’s Violin

 

Laurie Anderson ist eine vielgelobte Performance-Künstlerin, die in den 1980er Jahren auch zum ungewöhnlichen Popstar wurde. Sie war eine Pionierin der multimedialen Performance- und Installationskunst, bevor sie mit Songs aus ihren großen Performance-Stücken in die populäre Musikindustrie einstieg und später komplette Alben für die kommerzielle Veröffentlichung produzierte. Als eine der ersten Künstlerinnen der New Yorker Szene, die einen kommerziellen Ruhm erlangte, stand sie an der Spitze der Debatten über den Einfluss der Massenmedien auf die Kunstwelt. Seitdem gilt sie als bemerkenswert fortschrittlich in der Auseinandersetzung mit neuen Technologien in Kunst und Performance-Praxis und in der Auseinandersetzung mit neuen Medien.

Anderson ist eine interdisziplinäre Künstlerin, die auf die vielfältigen Formen, Techniken und Strategien verschiedener Kunstformen zurückgreift und sich über eine Vielzahl unterschiedlicher Medien ausdrückt.

Anderson’s Praxis umfasst verschiedene künstlerische Disziplinen, hinterfragt die Trennung zwischen ihnen und eröffnet neue hybride Möglichkeiten für Künstler und Musiker. Als Musikerin, Performerin, Konzeptkünstlerin, Wissenschaftlerin und Erfinderin verbindet sie ästhetische Elemente aus Kunst, Theater, Oper, Populärmusik und wissenschaftlichen und technologischen Experimenten und fördert die gegenseitige Befruchtung des Publikums zwischen den Formen.

Technologische Innovationen waren schon immer der Schlüssel zu Andersons Arbeit, von ihren akustischen Experimenten mit Tonbandschleifen, Overdubbing und Aufnahmetechnik in den 1970er und 80er Jahren bis hin zu ihrem Einsatz von Projektion und experimenteller Theaterbeleuchtung. Dies führte zu neuen ästhetischen Ausdrucksformen in Galerien und auf der Bühne. Sie setzt ihre Innovationskraft mit ihren jüngsten digitalen Experimenten in den Bereichen Virtual Reality und binauraler Klang fort.

Ihr Werk ist von besonderer Bedeutung für die Entwicklung der Performancekunst im 20. Jahrhundert. Anderson begann in den 1980er Jahren mit hochkarätigen und großformatigen Aufführungen, die die traditionell theatralischen Elemente großer und sorgfältig gestalteter Bühnenbilder und Requisiten, umfangreiche Proben und Wiederholungsaufführungen in eine Kunstform einführten, die zuvor von Spontaneität und DIY-Ästhetik geprägt war.

Die elektronische Musik wurde ebenfalls stark von Anderson beeinflusst. Ihr bahnbrechender Einsatz von Synthesizern, Vocodern und Sampling-Technologie auf ihren Alben in den 1980er Jahren wird regelmäßig von späteren Musikern als Inspiration zitiert, da sie zu den ersten Platten gehörten, die im kommerziellen Radio und Fernsehen gespielt wurden.

Anderson trug wesentlich zum Abbau von Kulturhierarchien bei und machte ihrem Publikum und von ihr inspirierten Künstlern deutlich, dass die Grenze zwischen Hochkultur und Pop rein willkürlich ist. In ihren Arbeiten werden Konzepte und Strategien, die in experimentellen Kunstformen verwurzelt und von anderen Künstlern beeinflusst sind, und Kunstbewegungen in massenmedialen Kontexten wie der Musikindustrie oder dem kommerziellen Fernsehen eingesetzt. Ideen und Ästhetiken aus Fernsehen, Popmusik und kommerziellem Theater werden in den Kontext der „Hochkultur“ der Galerien und des Opernhauses zurückgebracht.

 

 

Laurie Anderson
Life on a String
Directed by Steven Lippman aka FLIP. Filmed in NYC June/July 2001

 





Gordon Monahan
Speaker Swinging

Gordon Monahan (geboren 1956 in Kingston, Ontario) ist ein kanadischer Pianist und Komponist für experimentelle Musik. Neben seinem eigenen Werk hat er Werke anderer Komponisten wie John Cage, James Tenney, Udo Kasemets und Roberto Paci Dalò aufgeführt. In jüngster Zeit hat er auch ortsbezogene Klanginstallationen realisiert. Von 1992-93 war er Artist-in-Residence beim DAAD in Berlin, wo er bis 2006 lebte.

quelle: wikipedia

 

Den Lautsprecher als eigenständiges elektronisches Musikinstrument begreifen.

 

Speaker Swinging (1982)
Gordon Monahan

Speaker Swinging ist ein Experiment für drei oder mehr schwingende Lautsprecher und neun Audiooszillatoren in einem geschlossenen Raum. Die Idee ist inspiriert von Geräuschen wie Leslie-Lautsprechern, fahrenden Fahrzeugen mit Rundfunksystemen, Flugzeugen und anderen beweglichen Schallquellen, sowohl industriellen als auch natürlichen. Die akustischen Prozesse von Phasing, Vibrato und Tremolo sind ebenso grundlegend für das Werk wie die Elemente Schweiß, Kampf, Angst und Verführung.

Speaker Swinging versucht, ein typisches Konzert der elektronischen Musik zu animieren und den Lautsprecher als gültiges elektronisches Musikinstrument an sich zu realisieren. Die rotierende Lautsprecherbewegung und die entsprechenden Dopplerverschiebungen werden zu Metaphern für die molekularen Bewegungen von Elektronen, die in Festkörper-Tremolo und Vibratoschaltungen auftreten.

 

 

Space Becomes The Instrument (2016)
Version 2

Das Theater wird durch die Anbringung von Kontakt-Tonabnehmern an verschiedenen beweglichen Teilen der Bühne und der Beleuchtungsanlage zu einem Instrument. Die Bewegungsbühne des Theaters ist mechanisiert, um sich vertikal auf und ab zu bewegen. Da die Bühnen ebenso wie die verschiedenen Beleuchtungsausleger und beweglichen, rotierenden Leuchten computergesteuert sind, können diese choreographiert und verstärkt werden, so dass das gesamte Gebäude und seine Einbauten zu einem Instrument als Ganzes werden. An jeder Stufe oder jedem Beleuchtungsmotor ist ein Kontaktmikrofon angebracht. Diese mechanischen Klänge werden in Echtzeit in einem Max/MSP-Patch editiert und dann über ein achtkanaliges Lautsprechersystem verteilt.

Zusätzliche visuelle und klangliche Elemente werden in den architektonischen Raum eingebracht – ein langer Klavierdraht, eine kochende Wasser-Klangskulptur, Videoprojektion und mobile klingende Bühnenrequisiten. Das Ergebnis ist eine choreografierte Klanginstallation, die zu einer Klang- und Bewegungsperformance unter Verwendung der architektonischen Elemente des Theaterraums wird. Alle Klänge des choreografierten Theaterraums sind live und es werden keine zuvor aufgenommenen Klänge verwendet.

Unsere architektonischen Gebäude sind akustische und räumliche Klanginstrumente. Die meisten großen Gebäude sind mit mechanischen Systemen und beweglichen Teilen (Klimaanlagen, Aufzüge, mechanisches Zubehör usw.) ausgestattet, die Schall und Vibrationen erzeugen. So können das Gebäude und seine mechanischen Teile als Ensemble für die Aufführung in Echtzeit orchestriert werden. So wird der Gedanke, dass „Architektur gefrorene Musik ist“, dahin erweitert, dass Architektur ein Instrument an sich werden kann und Klang und Musik produzieren kann.

 





The New Sound Of Music, 1979

 

The New Sound Of Music (1979) BBC Documentary

The New Sound of Music ist eine uterhaltsame historische Dokumentation der BBC aus dem Jahr 1979. Es zeigt die Entwicklung der Tonträger von den ersten Drehorgeln, Klavieren, dem Phonographen, dem Magnetbandgerät und den Konzepten der musikbetonischen und elektronischen Musikentwicklung mit spannungsgesteuerten Oszillatoren, die schliesslich zu analogen Synthesizern führen.

Der Film beschäftigt sich mit dem Wandel der Musikmode, insbesondere mit der Entwicklung der elektronischen Musik in den Jahrzehnten vor den Dreharbeiten. Ein Großteil des Filmmaterials wurde in den historischen Maida Vale Studios (auch bekannt als BBC Radiophonic Workshop) aufgenommen und gibt einen Einblick, wie bahnbrechend die Soundabteilung der BBC in den 50er und 60er Jahren war. Es gibt Erklärungen zu Klangerzeugungen und Demonstrationen an historischen Geräten, wie die bahnbrechenden Synthesizer von Dr. Robert Moog und frühe Vocoder-Effekte … und den Synthesizer, der für die Original-Titelmusik von 1963 für Doctor Who von Ron Grainer und Delia Derbyshire verwendet wurde. Dieses Musikstück ist berühmt für den unheimlichen Klang des Theremin, aber viele der anderen Klänge waren damals wirklich radikal.

 





für augen und ohren / ausstellung in der akademie der künste berlin, 1980

 

für augen und ohren / ausstellung in der akademie der künste berlin, 1980
film von detlef michael behrens, 1980

der film zeigt nicht nur impressionen einer vom kurator rené block zusammengestellten ausstellung der berliner akademie der bildenden künste, sondern er berichtet auch über neue musikinstrumente, mechanische musik, visualisierte musik. er gibt informationen über das verhältnis von musik zu technik und über die ständigen bemühungen, den klassischen kanon an musikinstrumenten und die üblichen formen der musikalischen datbietung durch neuerungen und erfindungen zu beleben.

 

mit:
shigeko kubota, three mountains
joe jones, music store
oskar skala, mixturtrautonium
mauricio kagel, rahmenharfe
rolf liebermann, symphonie les echanges für büromaschinen
györgi ligeti, poème symphonique für 100 metronome
k und k studio wien, frau ohne eigenschaften
stephan von huene, rosebud annunciator
françois and bernard baschet, ode to gravity für augen und ohren
harry partch, the bewitched
harry bertoia, klangskulptur aus metallstäbe

 

auge und ohr

 

für augen und ohren – von der spieluhr zum akustischen environment
katalog zur ausstellung in der akademie der künste berlin vom 20.01. bis 02.03.1980

„dieser schmöker ist eine endlos tiefe fundgrube. man kann ihn über jahre hinweg immer wieder von vorn nach hinten und von hinten nach vorn durchäugen – stets aufs neue finden sich anregungen, ideen, neue perspektiven; die denkbaren verknüpfungen und verschmelzungen von musik als klangdarstellung und kunst als ideendarstellung, das werden und die wandlungen von musikkunst/kunstmusik, werden aus derart vielen blickwinkeln beleuchtet und erforscht, werden mit einer so enormen materialfülle in text, abbildungen und quellenverweisen dargestellt, dass die inspirationsvarianten geradezu unerschöpflich sind.”
robert suydam, berlin-based artist

 





In the Ocean

In the Ocean 
Frank Scheffer, 2001

 

In the Ocean ist eine aussergewöhnliche Musikdokumentation. In der Zusammenarbeit mit Musikern, die noch nie zuvor im selben Film aufgetreten sind (Steve Reich, Brian Eno, Philip Glass, Louis Andriessen), wird versucht, das komplexe Bild der zeitgenössischen Musik der letzten dreißig Jahre zu erklären. Scheffer untersucht die Beziehung zwischen amerikanischen und europäischen Komponisten, verkörpert im Film durch die Geschichte von Bang on a Can, einer der populärsten und vitalsten Bewegungen der heutigen Musik.

Bang on a Can ist eine vielseitige Organisation für zeitgenössische klassische Musik mit Sitz in New York City. Sie wurde 1987 von drei amerikanischen Komponisten gegründet, die bis heute ihre künstlerischen Leiter sind: Julia Wolfe, David Lang und Michael Gordon. Vom San Francisco Chronicle als „das wichtigste Vehikel des Landes für zeitgenössische Musik“ bezeichnet, konzentriert sich die Organisation auf die Präsentation neuer Konzertmusik und hat weltweit Hunderte von Musikveranstaltungen präsentiert.

quelle: archive.org

 





Notations

Notations edited by John Cage

Notations edited by John Cage, 1969

 

Notations ist ein Buch, das vom amerikanischen Komponisten John Cage mit Alison Knowles herausgegeben und zusammengestellt wurde und 1969 erstmals bei Something Else Press veröffentlicht wurde.

Das Buch besteht aus einer großen Sammlung von grafischen Partituren, Faksimiles von Hologrammen, die von der Foundation for Contemporary Performance Arts herausgegeben werden, mit Texten von 269 Komponisten, die in alphabetischer Reihenfolge präsentiert werden, wobei jede Partitur den gleichen Platz einnimmt und in denen der Herausgeber nicht mehr Autorität hat als der Leser, dem Werk Wert zu verleihen.

Der Text des Buches wurde mit Zufallsverfahren erstellt, um festzustellen, welcher der 269 Komponisten gebeten wird, über ihre Arbeit zu schreiben, und aus wie vielen Wörtern jeder Eintrag bestehen soll. Diese Schriften, die ein bis vierundsechzig Wörter enthalten, werden mit Absatzzeichen versehen. Der Schriftsatz wurde von Alison Knowles unter Verwendung von zufälligen Mischungen von Schriften und Größen erstellt. Es gibt auch Kommentare von Cage und anderen Autoren, die im gesamten Buch enthalten sind, wobei der Schriftsatz ähnliche Verfahren verwendet.

 

Notations 21 by Theresa Sauer (Author), Mike Perry (Designer), 2009

 

Die Kreuzbefruchtung der Sinne hat etwas besonders Faszinierendes, insbesondere bei der Visualisierung von Musik. Das ist genau das, was Notations 21 untersucht. Inspiriert von John Cages legendären 1968er Notationen und ursprünglich zum 40-jährigen Jubiläum erschienen, zeigt der ambitionierte 320-seitige Band von Theresa Sauer und Mark Batty Publishers, wie 165 Komponisten und Musiker auf der ganzen Welt Musik visuell erleben, kommunizieren und neu empfangen, indem sie die Notation neu erfinden.

Diese faszinierenden visuellen Arbeiten sind nicht nur für aufregende Musik, sondern auch für inspirierende visuelle Kunst geeignet. Die Partituren werden von schriftlichen Beiträgen der Künstler begleitet, die alle Facetten ihres kreativen Prozesses von der Inspiration bis zur Umsetzung erforschen.

 

not 21

 

Notations 21 by Theresa Sauer (Author), Mike Perry (Designer), 2009